dr. jur. Hubert Lang

Anwaltsgeschichte

Juristen jüdischer Herkunft in Leipzig

Es gab und gibt weder jüdische Juristen, noch Juristen jüdischer Herkunft, denn Juristen jüdischen Glaubens weisen in ihrem Berufsverständnis keine Besonderheiten auf, die sich aus ihrer Religion oder ihrer Herkunft erklären lassen. Das Thema ist vielmehr lediglich Reflexion auf die Ausgrenzung der Juden in Deutschland, die in ganz besonderer Weise die Juristen diesen Glaubens betraf.

Die Geschichte jüdischer Juristen in Leipzig beginnt mit der Dispensation wegen der Zulassung für den ersten Advocaten am 10. März 1842 und endet mit der Flucht des Rechtsanwalts Fritz Grunsfeld im Januar 1953.

Diese 110 Jahre sind geprägt von Ausgrenzung, Diffamierung, Verfolgung und der letztlichen Vertreibung und Ermordung einerseits und dem Kampf um Emanzipation, Selbstbehauptung und Widerstand andererseits.

Eine wirkliche Normalität und Gleichberechtigung im Umgang zwischen den Juristen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse hat es trotz der auch in Leipzig vorhandenen Assimilationsbestrebungen nie gegeben.

Eine abweichende Beurteilung der Situation kann es nur für die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts hinsichtlich der Juristen geben, welche konvertiert waren oder deren Vorfahren sich bereits vom jüdischen Glauben abgewandt hatten.

Der Antisemitismus, der in Leipzig bereits seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder eine besonders aggressive Ausprägung fand, kannte derart feine Unterschiede nicht. Hier galt die Hetze des berüchtigten von Theodor Fritsch geleiteten Hammer-Verlages1, bereits damals der „jüdischen Rasse“ und nicht etwa dem mosaischen Glaubensbekenntnis.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es jedoch nach dem Übertritt zum Christentum ohne weiteres möglich, die Zulassung als Advocat und Notar zu erlangen, wie das Beispiel des Robert Herz Levi beweist.
Der Sohn des sächsischen Hofagenten Herz Löw Levi, der sich wie seine zahlreichen Brüder später Lippert nannte, wurde 1810 in Leipzig geboren. Er studierte an der hiesigen Juristenfakultät und schloß seine Ausbildung 1834 mit der Promotion ab. Da er sich bereits 1831 in St. Nicolai hatte taufen lassen, standen seiner Ernennung zum königlich sächsischen Notar in Grimma 1834 keine Hindernisse entgegen.

Der 1816 in Leipzig geborene Carl Herrmann Schopeck stammte bereits aus einer christlich-jüdischen Verbindung. Sein Vater hatte sich vor der Eheschließung im Jahr 1810 taufen lassen, so daß das Sächsische Justizministerium keinerlei Bedenken trug, dessen Sohn nach erfolgreichem Abschluß seiner juristischen Ausbildung im Jahr 1835 zum Advocat und Notar in Leipzig zu ernennen.

Ganz anders stellte sich zu dieser Zeit die Situation für die Juristen dar, welche am jüdischen Glauben festhielten.

Das Sächsische Recht des 13. Jahrhunderts, wie es mit dem Sachsenspiegel überliefert ist, verbot Juden als eines anderen Sachwalter (Vorsprech) vor Gericht aufzutreten. Hieran änderte sich über die Jahrhunderte nichts.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts forderten auch die Juden in Sachsen nach dem Studium an der Leipziger Juristenfakultät die Zulassung als Advocat und Notar ein.

Der erste in Leipzig und dem Königreich Sachsen zugelassene jüdische Advocat war der aus namhafter Dresdener Familie stammende Isidor Kaim.
Der 1817 als jüngstes von 15 Kindern geborene Sohn des Juweliers und Gemeinde-vorstehers Samuel Kaim wurde am 16. Februar 1843 als Advocat in Leipzig zugelassen. Die Zulassung erfolgte jedoch nur, weil versäumt worden war, Isidor Kaim bei seiner Immatrikulation an der Leipziger Juristenfakultät darauf hinzuweisen, daß er hiermit keinen Anspruch auf Zulassung als Advocat erlange2.

So blieb Isidor Kaim eine absolute Ausnahme als jüdischer Advocat in Sachsen. Erst Jahre später erreichte Emil Lehmann als erster Jude die Ernennung zum Notar. Die Ernennung des um den weiteren Emanzipationsprozeß der Juden in Sachsen außer-ordentlich verdienten Sohnes des Dresdener Hofjuden Berend Lehmann erfolgte durch die Leipziger Juristenfakultät in Beachtung der sächsischen Grundrechts-Gesetzgebung nach bestandenen Examen am 12. März 1851.

Doch auch dann war die Zulassung von Juden als Advocat und Notar keinesfalls Selbstverständlichkeit oder übliche Praxis in Sachsen.
Die Auseinandersetzungen rankten sich immer wieder um die Frage der Eidesleistung. Das Justizministerium stellte deshalb klar, daß es jüdischen Notaren verwehrt sei, christlichen Parteien bei Notariatshandlungen den Eid abzunehmen.

Noch wesentlich rigider war die Praxis hinsichtlich der Ernennung von Juden zum Richter in Sachsen. Am 01. Oktober 1851 sah sich das Justizministerium im Zusammenhang mit dem Übergang der städtischen Gerichtsbarkeit auf den Staat gezwungen, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen.
Theodor Wolf war nämlich am Dresdner Stadtgericht angestellt, von wo ihn die Staatsregierung zunächst nicht entfernen konnte. Er wurde jedoch von jeglichen Eidesabnahmen ausgeschlossen, dann sogar nur noch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit beschäftigt. Erst der Übertritt zum Christentum im Jahr 1857 beendete diese Repressalien. Theodor Wolf, der erste jüdische Richter in Sachsen, war später Richter in Freiberg und schließlich in Leipzig.

Ähnliche Erfahrungen mußte später der 1845 in Sachsen-Meiningen geborene Selig Ortenstein machen. Er wurde zwar am 1. August 1879 zum Landgerichtsrat in Leipzig ernannt, unterlag jedoch auch damals noch den diskriminierenden Beschränkungen hin-sichtlich der Eidesabnahme. Auch er entschloß sich dann zehn Jahre später zur Taufe.

Als zu Beginn der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts mehrere Juden als Referendare ernannt worden waren, kam es zu einer erneuten Zuspitzung im Kampf um die absolute Gleichberechtigung.

Friedrich Salomon Wachtel (1844-1886) beklagte sich am 26. August 1871 in einem Schreiben an den Justizminister über die ehrverletzende Beschränkung, daß seine Tätigkeit nicht auf die Abnahme von Eiden von christlichen Glaubensgenossen zu erstrecken sei. Als er sich in dieser Frage nicht durchsetzen konnte, bat er um Entlassung aus dem Justizdienst.

Als Vorkämpfer für die gleichberechtigte Behandlung jüdischer Referendare und Rechtsanwälte am Ende des 19. Jahrhunderts ist der Sohn des Gemeindevorstehers Alexander Werthauer, Paul Friedrich Werthauer (1858-1933), zu nennen. Der musisch außergewöhnlich begabte Geheime Hofrat Werthauer hatte 1886 das Assessorexamen bestanden und war bis 1904 in Leipzig als Rechtsanwalt tätig. Er lebte dann in Berlin, wo er kurz nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten starb. Seine Witwe nahm sich vor der drohenden Deportation das Leben.

Überlieferte Akten belegen eindrucksvoll seinen unerschrockenen Kampf gegen antise-mitische Vorurteile in der Leipziger Richterschaft und die fortwährende Benachteiligung jüdischer Referendare3.
Auf seine Initiative hin fragten die sozialdemokratischen Abgeordneten des sächsischen Landtages Bebel, Liebknecht u.a. bei der Staatsregierung an, ob es zutreffend sei, daß seit 1879 kein jüdischer Referendar den Richtereid abgelegt habe.

Auch noch im Jahr 1896 verweist die sächsische Staatsregierung darauf, daß hier Juden nicht zu Referendaren ernannt werden. Da diese Praxis bekannt sei, würden keine Anträge auf Übernahme in den Staatsdienst mehr gestellt und die jüdischen Assessoren würden ohne weiteres Rechtsanwalt.

Die Leipziger Juristenfakultät

Im Jahr 1767 wurde mit Elcanus Herz an der alma mater lipsiensis der erste jüdische Student immatrikuliert. Seit dieser Zeit nahm die Zahl der jüdischen Studenten langsam aber stetig zu.

Seit Beginn der 19. Jahrhunderts sind dann auch die Studenten nachweisbar, welche sich an der Juristenfakultät einschrieben. Auffällig ist hier, daß die absolute Minderheit der Studierenden aus Sachsen kam. Tatsächlich kamen von den ermittelten 262 jüdischen Studenten an der Leipziger Juristenfakultät lediglich 14, also nur 5,3 %, aus Sachsen.

Diese Tatsache findet ihre Erklärung offensichtlich in der oben erwähnten restriktiven Praxis des Sächsischen Justizministeriums.

Auch auf Seiten der Dozenten wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert lediglich solche berufen, die getauft waren. Insbesondere um die Jahrhundertwende war an der Leipziger Juristenfakultät alles vertreten, was Rang und Namen hatte:
Victor Ehrenberg (1851-1929), Emil Friedberg (1837-1910), Levin Goldschmidt (1829-1897), Georg Jellinek (1851-1911), Ernst Landsberg (1860-1927), Otto Lenel (1849-1935), Ernst Rabel (1874-1955), Hermann Staub (1856-1904), Friedrich Stein (1859-1923) und Adolf Wach (1843-1926) 4.

Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts waren an der Leipziger Juristenfakultät Konrad Engländer (1880-1933), Erwin Jacobi (1884-1965), Walter Jellinek (1885-1955), Guido Kisch (1889-1985), Rudolf Littauer (1905-?), Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874-1936) und Leo Rosenberg (1879-1963) tätig.

Hans Kirchberger hatte eine Professur an der Handelshochschule inne. Der Rechtshis-toriker Martin David war hier, wie auch kurzzeitig Hermann Heller, als Privatdozent tätig.

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurden Konrad Engländer, Erwin Jacobi, Rudolf Littauer und Leo Rosenberg von der altehrwürdigen Juristenfakultät vertrieben.

Seit diesem Verlust an wissenschaftlichem Potential hat die Leipziger Universität leider nie wieder an ihren einstigen Ruf, eine der führenden Juristenfakultäten Deutschlands zu besitzen, anknüpfen können.

Richter und Staatsanwälte an den Leipziger Gerichten

Bereits auf dem ersten Deutschen Juristentag 1860 war der Ruf nach einem höchsten Gericht für das Handels- und Wechselrecht artikuliert worden, um die Erhaltung der Einheit und die gemeinsame Fortbildung des Rechts auf diesem Gebiet zu sichern.

Am 5. August 1870 wurde das Bundesoberhandelsgericht in Leipzig eröffnet. Erstmals nach der Auflösung des Reichskammergerichts zu Wetzlar durch Napoleon wurde eine Gerichtsinstanz geschaffen, welche zunächst für die Länder des Norddeutschen Bundes, mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 dann als Reichsoberhandels-gericht für alle deutschen Länder, zuständig war.

Als am 1. Oktober 1879 schließlich das Reichsgericht in Leipzig gegründet wurde, stand mit Eduard Simson einer der namhaftesten deutschen Juristen dieser Zeit an dessen Spitze. Außer ihm wurden drei Senatspräsidenten, 24 Reichsgerichtsräte, sowie drei Reichsanwälte nach 1933 als jüdisch bzw. als Mischlinge diffamiert. Auch für die zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr lebenden Richter des höchsten deutschen Gerichts wurde in den Personalakten akribisch festgehalten, wann die Taufe stattgefunden hat und daß die betreffenden als jüdisch zu betrachten sind.

Bereits dem Bundes-, wie auch dem Reichsoberhandelsgericht gehörte mit Levin Goldschmidt (1829-1897) ein jüdischer Rat seit der Begründung bis zu seiner Berufung an die Berliner Universität 1875 an.
Mit dem Eintritt von Heinrich Wiener (1834-1897) als Rat im Jahr 1874 wurde ein zweiter jüdischer Jurist in den Kreis der Richter aufgenommen, welcher dann am Reichsgericht 1891 zum Senatspräsidenten ernannt wurde. Mit der Ernennung von Alfons David (1866-1954) und Richard Mansfeld (1865-1943) gab es schließlich bis 1933 insgesamt drei Senatspräsidenten am höchsten deutschen Gericht, die jüdischer Herkunft waren.

Mit David Calm (1825-1875) wurde mit der Eröffnung des Bundesoberhandelsgerichts auch ein jüdischer Rechtsanwalt für diese Instanz zugelassen. Der in Breslau geborene Emil Sachs (1842-1912) war bereits als Rechtsanwalt am Reichsoberhandelsgericht tätig. Am Reichsgericht wurden später als Rechtsanwälte zugelassen: Salomon Ganz (1865-1920), Geheimer Justizrat Julius Haber (1844-1920) und Louis Seelig (1841-1912).

Der unmittelbaren Verfolgung und Ausgrenzung waren nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten insgesamt siebzehn Richter des Reichsgerichts in unterschied-lichster Weise ausgesetzt.

Am Leipziger Amts- bzw. Landgericht war wegen der beschriebenen restriktiven Praxis der sächsischen Staatsregierung die Zahl der Betroffenen wesentlich geringer. Hier konnten als jüdische Richter die Landgerichtsräte Richard Jaffé und Kurt Salomon als Frontkämpfer aber erst 1935 in den Ruhestand versetzt werden. Bereits 1933 wurden die Staatsanwälte Walter Dobbriner und Walter Franke auf Grund des Gesetzes über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Justizdienst entfernt. Ebenso erging es dem Gerichtsassessor am Leipziger Amtsgericht Eugen Peter Graf und den Amtsgerichtsräten Heinrich Lewin und Walter Mieses.
Für weitere acht Richter am Amts- bzw. Landgericht ergaben die zu erbringenden Ariernachweise, daß Eltern bzw. Großeltern jüdischen Glaubens gewesen waren.

Die Leipziger Rechtsanwälte und Notare nach 1933

Die Situation der Rechtsanwälte und Notare, welche ab 1933 als Juden oder sogenannte Mischlinge der Ausgrenzung, Diffamierung und Verfolgung ausgesetzt waren, unter-schied sich grundsätzlich nicht von der in anderen deutschen Großstädten.

Durch die jahrzehntelange antijüdische Zulassungspraxis in Sachsen war der prozentuale Anteil der jüdischen Anwälte und Notare nicht so hoch wie anderswo.

Beim Amts- und Landgericht Leipzig waren 1933 500 Rechtsanwälte zugelassen, von denen 59, also 11,8 %, der Verfolgung aus rassischen Gründen ausgesetzt waren. Von den 24 beim Reichsgericht zugelassenen Rechtsanwälten waren zwei, also nur 8,3 %, betroffen. Mit Berthold Monasch (1879-1950) verlor einer der vier Leipziger Patentanwälte die Zulassung wegen seines jüdischen Glaubens.

Bereits mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft am 15. August 1933 verloren die erst seit 1914 tätigen Anwälte ihre Zulassung.

Insgesamt 31 Notare wurden in Leipzig 1933 bzw. 1935 aus ihrem Amt entlassen. Das bedeutete neben der öffentlichen Diffamierung und Ausgrenzung insbesondere den Verlust der entscheidenden Existenzgrundlage.

In Leipzig wurden während der Reichspogromnacht am 9./10. November 1938 151 Personen verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Unter ihnen befanden sich zwölf Rechtsanwälte.

Am 25. November 1938 erließ die Devisenstelle Sicherungsanordnungen gegen die noch zugelassenen 21 Anwälte, da diese ab dem 1. Dezember ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben durften.

Am 07. Dezember 1938 wurden sechs frühere Rechtsanwälte als jüdische Konsulenten zugelassen. Drei von ihnen konnten jedoch nicht vereidigt werden, da sie sich im Konzentrationslager befanden.

Neun Rechtsanwälte, vier Richter (darunter drei Reichsgerichtsräte), drei in anderen Berufen tätig gewesene Juristen und mit Hermann Gottschalk auch ein am aktiven Widerstand beteiligter Referendar entkamen der Vernichtungsmaschinerie nicht und starben in den Konzentrationslagern.

Nationalsozialistische Verfolgung und Vertreibung blieben jedoch auch nicht ohne Einfluß auf das Schicksal aller anderer Juristen jüdischer Herkunft, die in Leipzig ihre heute nicht mehr sichtbaren Spuren hinterlassen haben. Deshalb soll an dieser Stelle an alle Juristen erinnert werden, deren Leben zwischen 1933 und 1945 auf unterschied-lichste Weise endete:

Alexander Baumgarten, Reichsgerichtsrat
08. Januar 1868 Suhl – 07. Oktober 1933 Leipzig

James Breit, Rechtsanwalt in Dresden (zuvor Leipzig)
28. Dezember 1872 Leipzig – 03. Oktober 1936 Konstanz

Hans von Dohnanyi, Reichsgerichtsrat
1. Januar 1902 Wien – 9. April 1945 Sachsenhausen

Albert Salomon Feisenberger, Reichsanwalt
11. Mai 1873 Frankfurt am Main – 20. Juli 1935 Leipzig

Konrad Goldschmidt, Rechtsanwalt und Notar
10. Januar 1888 Leipzig – 7. Februar 1939 Stockholm

Justizrat Hermann Gottschalk, Rechtsanwalt und Notar
29. Oktober 1867 Gröbzig – 27. März 1943 Dösen bei Leipzig

Hermann Gottschalk, Referendar
21. August 1910 Leipzig – 20. Oktober 1937 Dachau

Max Hellmann, Rechtsanwalt und Notar
27. Mai 1884 Leipzig – 13. Oktober 1939 Buchenwald

Hans-Joachim Hinrichsen, Dr. jur., Musikverleger
22. August 1909 – 27. September 1940 Perpignon/Frankreich

Hermann Albert Jacobson, Rechtsanwalt und Notar
05. Januar 1875 Dresden – 17. Oktober 1941 Leipzig

Martin Kaim, Dr. jur., Privatlehrer
30. Januar 1901 Berlin – 05. September 1942 Riga (verschollen)

Chil Ascher Kapel, Rechtskandidat
15. Juli 1898 Brzesko – 31. Juli 1935 Wyk auf Föhr

Willi Kaufmann, Rechtsanwalt und Notar
01. August 1874 Melsungen – 27. November 1942 Jerusalem

Waldemar Koehne, Reichsgerichtsrat
28. September 1880 Danzig – 27. Dezember 1938 Berlin

Salomon Kroch, Rechtsanwalt und Notar in Dresden (zuvor Leipzig)
14. April 1856 Breslau – 21. September 1942 Theresienstadt

Emil Leyser, Rechtsanwalt und Notar
22. Februar 1871 Culmsee – 13. April 1936 Ahrensburg

Karl Lilienthal, Reichsgerichtsrat
24. Juni 1858 Steinheim – 25. Oktober 1935 Berlin

Julius List, Rechtsanwalt und Notar
08. Mai 1871 Leipzig – 29. November 1944 Leipzig

Hans Löwenheim, Rechtsanwalt
09. April 1895 Leipzig – 21. Oktober 1941 London

Richard Mansfeld, Reichsgerichtsrat
29. November 1865 Wolfenbüttel – 05. Dezember 1943 Leipzig

Theodor Meyer, Reichsgerichtsrat
02. September 1853 Edenkoben – 13. Juli 1936 Leipzig

Justizrat Martin Meyerowitz, Rechtsanwalt am Reichsgericht
03. Januar 1869 Königsberg – 23. Juni 1942 Flossenbürg

Richard Michaelis, Reichsgerichtsrat
27. Juni 1856 Danzig – 10. März 1941 Gurs/Frankreich

Justizrat Victor Mieses, Rechtsanwalt und Notar
05. September 1861 Leipzig – 15. April 1939 Leipzig

Rudolf Albert Neumann, Rechtsanwalt
31. Oktober 1900 Berlin – 10. Mai 1942 Belzyce (verschollen)

Kurt Perls, Rechtsanwalt
22. März 1890 Chemnitz – 26. Februar 1943 Auschwitz (verschollen)

Hugo Salinger, Reichsgerichtsrat
05. April 1866 Marienwerder – 08. August 1942 Theresienstadt

Walter Moritz Schreiber, Dr. jur., Bankier
06. Juli 1885 Breslau – 22. Juni 1940 Berlin

Maximilian Schwalb, Reichsgerichtsrat
07. Dezember 1864 Straßburg – 19. Dezember 1943 Wien

Jakob Sieskind, Dr. jur., Bankier
12. November 1872 Leipzig – 10. Januar 1943 Auschwitz

Albert Siegmund Simonson, Reichsgerichtsrat
14. Juni 1854 Berlin – 03. Mai 1942 Berlin

Helmut Swarensky, Amtsgerichtsrat (am AG Neukölln)
31. Oktober 1891 Berlin – 21. Januar 1942 (deportiert)

Adolf Tumpowsky, Rechtsanwalt und Notar
19. September 1878 Königsberg – 27. März 1935 Leipzig

Justizrat Julius Wachtel, Rechtsanwalt und Notar
09. Juli 1860 Gehaus/Thüringen – 05. September 1937 Leipzig

Justizrat Leopold Waldheim, Rechtsanwalt und Notar
19. September 1864 Sternberg – 6. Dezember 1942 Theresienstadt

Geheimer Hofrat Paul Friedrich Werthauer, Rechtsanwalt
11. September 1858 Leipzig – 02. Juli 1933 Berlin

Emil Wohrizek, Rechtsanwalt und Notar in Berlin (zuvor Leipzig)
24. April 1878 Reichenberg – 1942 Trawniki (deportiert)

Feodor Fritz Zernik, Rechtsanwalt und Notar
05. November 1883 Breslau – 21. Januar 1942 (deportiert)

Max Zülzer, Rechtsanwalt und Notar
29. Dezember 1885 Leipzig – 23. Mai 1944 Theresienstadt

Die Leipziger Rechtsanwälte und Notare nach 1933

Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus war mit den anderen Überlebenden des letzten Transportes nach Theresienstadt auch Fritz Grunsfeld (1908-1991), der bis zuletzt Verwaltungsdirektor der Leipziger Gemeinde gewesen war, zurückgekehrt. Der in Halle geborene Jurist wurde am 3. Dezember 1946 als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht Leipzig zugelassen und am 11. Juni 1949 zum Notar ernannt.

Gleichzeitig war er wieder im Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig tätig. Der bald erneut aufkeimende Antisemitismus im Umfeld des Slansky-Prozesses5 zwang Fritz Grunsfeld im Januar 1953 zur Flucht aus Leipzig. In Düsseldorf war er später als Senatspräsident am Oberlandesgericht tätig. Nach seiner Pensionierung wandte er sich erneut dem Anwaltsberuf zu.

Insgesamt zwölf Juristen, die auf Grund ihrer jüdischen Herkunft unterschiedlichsten Repressalien und Verfolgungen seitens der Nationalsozialisten ausgesetzt gewesen waren, sind nach dem Zusammenbruch des Hitler-Regimes wieder in ihren Berufen in Leipzig tätig gewesen.

Von den neun betroffenen Richtern und Staatsanwälten konnten sich die wenigsten unter den neuen Bedingungen dauerhaft in der Justiz halten. Viele von Ihnen wurden sehr bald wieder aus ihren Ämtern vertrieben. Nur Kurt Cohn (1899-1987) stieg als LDPD-Vertreter später zum Richter am Obersten Gericht der DDR auf.

Der namhafteste Leipziger Rechtsanwalt Martin Drucker (1869-1947) setzte sich trotz seiner angegriffenen Gesundheit und seines Alters sofort für die Neuorganisation der sächsischen Anwaltschaft ein. Er starb wenige Jahre nach dem Ende der Hitlerdiktatur und mußte die weitere Entwicklung nicht miterleben.

Mit Erwin Jacobi (1884-1965) war nur ein einziger der 1933 vertriebenen Rechtswissen-schaftler wieder an der alma mater lipsiensis tätig. Im Jahr 1947 wurde er zum Rektor der Leipziger Universität gewählt.

Erstveröffentlichung:
Redaktionsbeilage des Verlages C.H.Beck zur NJW Heft 35 anlässlich
des 63. Juristentages in Leipzig vom 26.29.9.2000, S. 60 ff.

In diesem Verlag erschienen u.a. Theodor Fritschs „Handbuch der Judenfrage“ und die Zeitung „Antisemitische Korrespondenz“

Zu Isidor Kaim erscheint in den BRAK-Mitteilungen ein gesonderter Beitrag

„Die Remuneration der Referendare im Königreich Sachsen“, in: Deutsche Juristenzeitung, 1897, S. 221

Seine Witwe, eine Tochter Felix Mendelssohn-Bartholdys, wurde später von Dresden deportiert.

Vergleiche hierzu: Esther Ludwig, Die Auswirkungen des Prager Slansky-Prozesses auf die Leipziger Juden 1952/53; in: Judaica Lipsiensia, Leipzig 1994, S. 228 ff.