dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Dr. Albrecht Opetz
Leipzig – C 1
Brüderstr. 61
Leipzig, den 20.5.1946

Sehr geehrter Herr Justizrat!

Sie kennen meine Rehabilitationsakte. Sie wissen daraus, dass ich zahlreiche Unterlagen aus früheren Jahren beibrachte, um zu belegen, dass ich mich nicht erst jetzt nach dem Zusammenburch Hitlers eines besseren besonnen habe. Gewiss bleibt immer die Frage offen, wie es trotz meiner Erkenntnis möglich war, dass ich der Partei schliesslich beitrat, und es liegt vielleicht immer der Verdacht einer gewissen Gesinnungslumperei nahe.
Ich bitte Sie heute um Ihre Hilfe, möchte aber vorerst, da Sie selbst so viel in den letzten Jahren durchmachen mussten, Ihnen etwas mitteilen, was meinen damaligen Schritt vielleicht auch rein menschlich verständlich erscheinen lässt. Ich habe im Rehabilitatitonsantrag nicht davon gesprochen, da es sich um ein Geheimnis handelt, das ich vorläufig meines Kindes wegen wahren will.
Meine Ehe ist kinderlos geblieben, was bei uns jedenfalls sehr viel Kummer mit sich gebracht hat. Wir entschlossen uns nach 5 Jahren zur Annahme eines Kindes und bekamen im Juli 1939 durch die Adoptionsstelle einen Knaben zugewiesen. Wir haben das Kind und zwar seinetwegen allenthalben, insbesondere der Verwandtschaft gegenüber, abgesehen von den Elternteilen, als eigenes Kind ausgegeben und konnten dieses Geheimnis auch bis heute wahren, zumal der damals gerade beginnende Krieg Verwandtschaftsbesuche von auswärts hinderte, den Ausfall einer Tauffestlichkeit erklärlich machte. Als mir etwas Mitte 1940 der Antrag auf Aufnahme in die Partei unaufgefordert ins Haus gebracht wurde, war die Frage der Unterschriftsverweigerung auch wegen des Kindes erheblich. Die geschäftlich drohenden Nachteile hätte ich vielleicht damals in Kauf genommen. 1940, insbesondere nach dem Vorkommen vom November 1938, nach dem Beginn des Krieges, dachte man über die Partei noch anders, noch schärfer ablehnend, als 1937, wo mir einmal von Herrn Sonnenfeld im gemeinsamen Interesse der Parteieintritt nahegelegt worden war.
Verweigerte ich jetzt die Unterschrift, so bestand auch die Gefahr, dass man in mir einen sogen. Staatsfeind sah und uns das Kind nahm, dass wir inzwischen sehr lieb gewonnen hatten und dann 1943 auch adoptierten. Der Blockwalter, der den Antrag vorlegte, wusste um die wahren Tatsachen schon durch die Lebensmittelkarten. So lag darin, um das Kind nicht zu verlieren, der eigentliche Grund für meine Entschliessung, zumal diese ja nur geldlich durch den Parteibeitrag Folgen hatte, mein künftiges Denken und Handeln, wie Sie aus meinem Rehabilitationsantrag wissen, nicht beeinflusste.
Ich bin bis jetzt als Anwalt nicht wieder zugelassen. Jetzt will man mir auch die Firma des Vaters nehmen, es wird ja jetzt der Buchhandel bereinigt. Ich würde trotzdem nicht um Hilfe bitten, wenn ich eben nicht Frau und Kind, vor allem noch eine alte Mutter hätte, die nach dem Verlust des gesamten Vermögens, von dem Geschäft lebt. Muss ich offiziell aus der Firma ausscheiden, so bedeutet das für diese den Untergang. Dazu kommt, dass ich schwer kriegsbeschädigt bin und nicht jede Arbeit aufnehmen kann.
Damit habe ich wohl alles gesagt. Veilleicht nehmen Sie sich unter diesen Umständen trotz meiner Parteimitgliedschaft meiner Sache an. Sofern ich nicht Gegenteiliges höre, werde ich Ihnen die Unterlagen zugehen lassen, sobald ich wegen der Firma die Entscheidung erhalte.
Bitte nehmen Sie diesen Brief nicht zu den Akten.
Ich begrüsse Sie mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Albrecht Opetz