dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

HANS-HELMUTH KRENZLIN 
(13b) Gmund a.T. 15.Juli 1946

Lieber Onkel Martin,

ich bin nach 13 Monaten aus amerikanischer Gefangenschaft zurückgekehrt und komme daher erst heute dazu, mich der schmerzlichen Pflicht zu unterziehen, Dich von dem am 6. Juni v.Js. erfolgten Tode meiner guten Mutter in Kenntnis zu setzen. Es war mir noch im April gelungen, sie aus Berlin hierherzuholen. Im Mai erkrankte sie schwer. Ich konnte sie gerade noch unter großen Schwierigkeiten in eine Tegernseer Klinik bringen, als ich in Gefangenschaft geriet. Ich habe sie nicht mehr wiedergesehen. Die traurige Nachricht konnte mich erst im November erreichen, da das Camp, in dem ich mich befand, bis dahin von der Außenwelt völlig abgeschnitten war. Sie ruht nun hier auf dem stillen kleinen Bergfriedhof oberhalb von Gmund. Ihren Wunsch, sie einst an Vaters Seite zur letzten Ruhe zu betten, konnten wir leider bislang noch nicht erfüllen. Ich wußte, daß ihr Zustand hoffnungslos war. Es war ein Magen Carzinom. Ich bin dankbar, daß ihr ein schreckliches Siechtum erspart blieb. Sie hat oft von Dir gesprochen und ich weiß, daß sie immer besonders gern mit Dir korrespondiert hat und an Deinem Ergehen und dem Deiner Familie immer regen Anteil nahm. So hoffe ich, daß Dich meine Zeilen bei Gesundheit erreichen und Du diese furchtbare Zeit einigermaßen überstanden hast. Meine Frau und unser, jetzt elfjähriger, Peter (Hans-Peter Krenzlin, 1934-1995) haben eine harte, böse Zeit hinter sich. Aber meine Frau hat sich sehr tapfer überall durchgesetzt und, da sie sehr geschickt ist und man nicht weiß, was mit dem Gelde wird, sich zunächst mit Schneiderei erfolgreich auf eigene Füße gestellt. Ich selbst werde im nächsten Monat in die englische Zone, wahrscheinlich vorerst nach Lübeck gehen und meine Familie dann nachholen, sobald es mir gelungen ist, eine neue Unterkunft und Existenzmöglichkeit zu finden. In Berlin haben wir alles verloren. Auch Mutter hatte nicht das Geringste verlagert. Ihre Wohnung existiert noch. Es wohnt eine bulgarische Pianistin darin. Ob wir von ihren Sachen noch einmal irgendetwas wiedersehen, ist fraglich. Vielleicht können Tante Henny (Henriette Rocholl) oder Mietze versuchen, irgendwelche Erbschaftsansprüche geltend zu machen. Dieser verfluchte Krieg, den nur wahnsinnige ersonnen haben können, hat alles vernichtet. Was hatten wir schöne und überaus erfolgreiche internationale Beziehungen allein auf meinem Arbeitsgebiet, dem Motorsport überall anzuknüpfen vermocht. Wie es nun auch sein mag, unterkriegen lassen wir uns nicht!
Ich würde mich sehr freuen, von Deinem Ergehen zu hören und grüße Dich herzlich.

Dein  Hans-Helmuth