dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Rechtsanwalt G.   R i e s s
Hamburg, den 13. Dezember 1946

Herrn
Justizrat Dr.   D r u c k e r
L e i p z i g   S  3
Brandvorwerk 80

Lieber Herr Justizrat!

Ich habe lange nicht von mir hören lassen und hoffe, dass es Ihnen gesundheitlich gut geht. Ich bin immer noch hier, da es meiner Frau immer noch nicht gelungen ist, ein den englischen Behörden ausreichenden Beweis, dass mein Lebensunterhalt in England völlig gesichert sei, zu erbringen.
Ich beabsichtige daher unter Umständen wieder nach Leipzig zurückzukehren und bitte Sie, mir einmal mitzuteilen, ob ich dort als Anwalt zugelassen werden würde. Soweit ich gehört habe, soll die Zulassung für Leipzig gesperrt sein. Nun wäre es aber doch möglich, dass für mich als Volljude und in Anbetracht des Umstandes, dass ich zweimal im KZ war (Sachsenhausen und Theresienstadt) und ausserdem meinen zweiten Sohn in Auschwitz verloren habe, eine Ausnahme gemacht wird.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass es mir noch einmal gelingt, zu meinem ältesten Sohn nach Argentinien zu kommen. Diese Sache kann sich aber noch sehr in die Länge ziehen, da eine Visumerteilung erst dann möglich ist, wenn sich ein argentinischer Konsul in Deutschland befindet. Diesen Zeitpunkt kann ich aber von Leipzig aus m. E. genau so gut abwarten wie von hieraus.
In Leipzig habe ich alle meine Freunde und Bekannten und bin nicht so allein wie hier.
Es wird sich natürlich fragen, ob ich nach Leipzig wieder Zuzugsgenehmigung bekomme. Diese Sache glaube ich aber zu meinen Gunsten erledigen zu können, besonders, wenn ich in Leipzig als Anwalt zugelassen werde.
Für baldgefällige Rückäusserung wäre ich Ihnen sehr verbunden, wünsche Ihnen ein gesegnetes Fest und verbleibe mit herzlichen Grüssen

Ihr stets ergebener  Gerhard Riess