dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Rechtsanwalt Ewald Köst
Am Bauernbusch 19
Dresden-Bühlau, den 25. Mai 1946

Herrn
Rechtsanwalt Justizrat Dr. Drucker
L e i p z i g
Schwägrichenstr. 5

Hochverehrter lieber Herr Justizrat!

Als ich vor einigen Wochen aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte und von meinem Vater hörte, dass Sie das tausendjährige 3. Reich gut überstanden haben, wollte ich damals gleich an Sie schreiben. Aber es traten so viel Schwierigkeiten auf, da ich ja total ausgebombt bin, dass ich erst heute dazu komme, mich bei Ihnen sozusagen zurückzumelden.
Vielleicht interessiert es Sie kurz zu erfahren, wie es mir ergangen ist. Nachdem ich vom Februar bis September 1943 in Schutzhaft war, wurde ich Anfang 44 zur Kriegsmarine einberufen und trieb mich von da an als Matrose an der deutschen Ost- und Nordsee herum, bis ich schliesslich im Lazarett Wilhelmshafen am Tag der Kapitulation in englische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach meiner Entlassung war ich noch kurze Zeit in Wesermünde, von da bin ich Ende März zurückgekehrt. Dort fand ich meine Familie (ich habe mich im Februar 44 zum 2. Mal mit der Schauspielerin Ursula Damm verheiratet, am 9. Mai 1945 haben wir eine Tochter bekommen) erfreulicherweise gesund vor, Wohnung und Praxis wurden jedoch bei dem ersten Bombenangriff auf Dresden radikal zerstört. So musste ich mich nun erst wieder neu etablieren und wieder von vorn anfangen. Meine Kanzlei befindet sich in der Wohnung meiner Eltern, Dresden, Bauernbusch 19. Trotzdem trage ich mich mit Umsiedlungsgedanken und zwar erwäge ich nach Leipzig zu gehen. Der Gründe hierfür sind mehrere. Eine nicht unerhebliche Rolle spielt wohl die Tatsache, dass der Anblick der Ruinenstadt Dresden mich immer wieder von neuem erschüttert und mir all das vor Augen führt, was ich verloren habe.
Entscheidend ist aber mein Bestreben, an die Universität Leipzig zu kommen, sei es nur als Lehrbeauftragter, sei es als Hochschullehrer. Ich weiss nicht, hochverehrter Herr Justizrat, ob Sie die Möglichkeit haben, mir bei der Verwirklichung dieses meines Wunsches behilflich zu sein. Jedenfalls wäre ich Ihnen ausserordentlich verbunden, wenn Sie mir in der einen oder anderen Weise den Weg etwas ebnen könnten. Ich glaube Ihnen gegenüber im einzelnen eines Beweises meiner politischen Zuverlässigkeit enthoben zu sein. Sie kennen ja meine Einstellung und meine Haltung. Selbstverständlich war ich nicht Mitglied der Partei, der SA, der SS oder einer sonstigen Gliederung der Partei. Dass mich die Gestapo am 10. Februar 1943 in Schutzhaft nahm, aus der ich am 3. September 43 entlassen wurde, haben Sie wohl auch gehört.
Nicht ganz bekannt ist Ihnen vielleicht der Umfang meiner schriftstellerischen Tätigkeit. Neben dem „Juristischen Wörterbuch“ und der „Erledigung in der Hauptsache“, welche beiden Bücher ich Ihnen seinerzeit übersandte, wären insbesondere folgende Aufsätze zu erwähnen: „Verdunklungsunfälle“ in DR. 1940 Heft 34, „Aussergerichtlicher Vergleich usw.“ in DR. 1940 Seite 97, „Urteil zur Hauptsache usw.“ in ZZP. Band ? Seite 337, sowie die umfangreichen Ausführungen über „Urteilsberichtigung“ in ZZP. Band? Seite 385 und über „Teilarmenrecht“ in Juristische Wochenschrift. 1936 Seite 3050. Die Bandziffer der ZZP. vermag ich im Augenblick nicht anzugeben, da ich zufolge Bombenschadens nur Sonderdrucke zur Hand habe. Andere Abhandlungen wie die über „Klagerücknahmeversprechen“ befinden sich im Archiv für Rechtspflege. Es kommen hinzu Buchbesprechungen, Entscheidungsbesprechungen usw. Soviel ich orientiert bin, sind an den Universitäten heute Lehrkräfte tätig, die überhaupt kaum oder gar nicht schriftstellerisch gearbeitet haben, sodass meine immerhin nicht ganz geringfügigen Veröffentlichungen eigentlich hinreichend sein dürften.
Auch ein weiteres Moment stimmt für Leipzig: Wie mir der Verlag Moeser, mit dem ich in Verbindung wegen Abschluss eines neuerlichen Buches stehe, mitteilt, hofft dieses Unternehmen die Lizenz für das Wiedererscheinen der Juristischen Wochenschrift zu bekommen und ich meinerseits hoffe dann vielleicht in der Redaktion der JW. mitarbeiten zu können. Das letztere sind aber noch recht vage Pläne, denn erst muss ja einmal die Lizenz erteilt sein.
Ich würde mich riesig freuen von Ihnen zu hören. Wie geht es Herrn Dr. Eckstein? Mein Vater lässt Sie Beide bestens grüssen.

In alter treuer Verehrung bin ich immer
Ihr ergebenster (Ewald Köst)