dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

17. Dezember 1946

Mein lieber Heiner!

Ihr lieber Brief vom 23. September kam nur wenige Tage nach meinem Geburtstage an. Ich danke Ihnen für Ihre Glückwünsche. Damals befand ich mich in recht guter Gesundheit. Dass sich das inzwischen geändert hatte, wird Ihnen wohl Renate mitgeteilt haben, die, wie ich soeben von Ursel höre, gestern an Sie geschrieben hat. Ich kann annehmen, dass diese zweite Rippenfellentzündung überwunden ist, muss mich aber allerdings noch etwas schonen, weil ich in meinem Kräftebestand recht herunter gekommen bin und weil auch das Winterwetter das Betreten der Strasse nicht erlaubt.
Sie bemerken, dass Sie unendlich viel auf dem Herzen hätten, aber keine Briefe mehr schreiben könnten. Das letztere muss ich, im Besitz Ihres Briefes, durchaus bestreiten. Es fehlt Ihnen anscheinend nur ein wenig an der Entschlusskraft, und überdies hat damals im September Ihre schwer bedauerliche Nierenerkrankung sich auch in der unangenehmsten Weise geltend gemacht. Ich hoffe, dass Sie davon völlig genesen sind. Dann wird auch alles andere in Ordnung kommen.
Es wäre sehr hübsch gewesen, wenn Sie nach Salem hätten reisen können. Aber da (Kurt) Hahn sich offenbar nur kurze Zeit dort aufgehalten hat, würde es wenig Zweck gehabt haben, über Ursel und die Jungen mit ihm zu sprechen, da diese Projekte sich doch frühestens nach einer Mehrzahl von Jahren weiter bearbeiten lassen. Deshalb möchte ich wegen dieser Angelegenheit vorläufig auch nichts Papeele (Heinz Lindenmeyer) schreiben. Ihre entzückende Skizze über Salem, über die ich Ihnen schon geschrieben zu haben glaubte, ist jetzt kürzlich in einem Zirkularbereicht abgedruckt worden, den Renate von einem Alt-Salemer-Bund zugeschickt bekam. Ich rate Ihnen nochmals dringend, Ihre literarischen Fähigkeiten nicht einschlafen zu lassen. Die Proben, die ich bisher davon zu sehen bekommen habe, ermuntern sehr zur Fortsetzung.
Ich danke Ihnen für Ihre Absicht, uns Bücher zu besorgen. Es ist ja aber nicht so, dass unsere gesamte Bibliothek verbrannt sei, denn wir hatten ja zehn Kisten vorher ausgelagert, die zum Teil nun wieder eingetroffen sind. Es ist mir jetzt gelungen, vier Bücherschränke zu mieten, die schon mit den vorhandenen Büchern beinahe vollgestopft sind. Für die noch ausgelagerten haben wir einstweilen noch keinen Platz.
Ueber Herrn Dr. Sernau habe ich mich erkundigt. Er hat keine Ungelegenheiten gehabt, sondern ist auswärts – den Ort habe ich vergessen – als Arzt tätig. Seine Frau wohnt noch in Harthek. Die dortige Anstalt ist mit nicht weniger als 700 Personen belegt und wird zum Teil als Ableger des Zwenkauer Krankenhauses benutzt.
Wir alle wünschen Ihnen, dass Sie Weihnachten möglichst angenehm verbringen und dass das neue Jahr Ihnen wenigstens keine Verschlechterung  der Verhältnisse nach irgendwelcher Seite bringen möge.
Herzlichst wie immer
Ihr (Drucker)