dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Wolfgang Herrmann
Leipzig O 5, Comeniusstraße 10
Auskünfte – Beobachtungen – Beratungen – Gesuche aller Art – Schreibmaschinenarbeiten – Übersetzungen – Revisionen – Grundstücksverwaltungen

Leipzig, den 27.3.46

Herrn Justizrat Dr. M. Drucker
Leipzig S 3
Brandvorwerkstraße 80 II

Sehr geehrter Herr Justizrat!

Herr Rechtsanwalt Dr. Werner Hartmann, z. Zt. Gernrode, hat mich während seiner Abwesenheit mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt.
Da die Bemühungen des Herrn Dr. Hartmann, wieder als Rechtsanwalt zugelassen zu werden, vorläufig trotz seiner jederzeit nachweisbaren auch Ihnen wohlbekannten antifaschistischen Einstellung erfolglos geblieben sind, erlaube ich mir, Sie zu fragen, ob es in Ihrer Macht steht, irgend etwas für die Wiederzulassung des Herrn Rechtsanwalt Dr. Hartmann zu tun.
Mein Auftraggeber war zwar nominelles Mitglied der NSDAP, hat aber auch in dieser Eigenschaft nie seine gegenteilige Einstellung verleugnet und nie etwas getan, was auch nur dem Anschein nach gegen Ehre und Anstand verstoßen könnte. Er hat im Gegenteil Personen, die durch den Nationalsozialismus verfolgt wurden und in Gefahr waren, liquidiert zu werden, unter eigener Lebensgefahr in Schutz genommen und vor dem Schlimmsten bewahrt. Er hat, wie aus zahlreichen, mir vorliegenden eidesstattlichen Versicherungen hervorgeht, sich in aufrechter und fruchtlosester Weise für die sogen. Nichtarier eingesetzt und auch als Rechtsanwalt sich nicht gescheut, diese um ihrer Rasse willen verfolgten Menschen vor Gericht in selbstlosester Weise unter schonungslosem Einsatz seiner eigenen Person zu verteidigen. Wo es sich darum handelte, die Ungerechtigkeiten und Verbrechen der nat.soz. Machthaber zu kennzeichnen und zu bekämpfen, stand Dr. Hartmann stets an erster Stelle.
Dies geht aus zahllosen, freiwillig gegebenen Beurkundungen bekannter Antifaschisten einwandrei hervor.
Es liegt auch eine Beurkundung eines anerkannten Opfers des Faschismus vor, die ausdrücklich bestätigt, dass Herr Dr. Hartmann auch während seiner Militärzeit in seinem ganzen Verhalten sich stets gegen den Militarismus und gegen den Faschismus eingesetzt hat. Er habe auch während dieser Zeit alles getan, um den wegen Wehrkraftzersetzung Angeklagten zu helfen und es sei ihm auch gelungen, z. B. in dem vorliegenden Fall die Aufhebung des bereits ergangenen Todesurteils durch rücksichtslosen Einsatz seiner Person zu erreichen und dem Verurteilten damit das Leben zu retten.
Trotz dieses einwandfreien Beweismaterials haben sich die zuständigen Stellen bisher nicht veranlasst gefühlt, die Rehabilitierung des Herrn Dr. Hartmann als selbstverständliche Pflicht anzusehen und ihm wieder die Möglichkeit zu geben, seinem Beruf nachzugehen. Da ich meinem Auftraggeber gerne helfen möchte, suche ich nach Wegen, die die Erreichung dieses Ziels erleichtern. Da Sie selbst so liebenswürdig waren, S. Zt. eine Erklärung für Herrn Dr. Hartmann abzugeben, wäre ich Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie auch heute Ihren Einfluß für eine Rehabilitierung des Genannten geltend machen könnten.
Ich bitte Sie höflichst, Ihre Inanspruchnahme zu entschuldigen und danke Ihnen im voraus bestens für Ihre Bemühungen.
Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung
ergebenst
Wolfgang Herrmann
Leipzig O 5