dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Garmisch, den 3.10.46

Sehr geehrter Herr Justizrat!

Entschuldigen Sie bitte, daß ich erst jetzt Ihren lieben Brief vom 23. Juni beantworte. Ihr Brief hat mich & meine Frau riesig gefreut, und danke Ihnen herzlichst dafür.
Den Anlaß Ihres Geburtstages will ich benützen und  Ihnen Herr Justizrat zu diesem Festtag herzlichst gratulieren. Ich & meine Frau wünschen Ihnen alles Gute ganz besonders beste Gesundheit und für Ihren Lebensabend noch schöne & friedliche Jahre. Herr Justizrat es tat uns furchtbar leid, als wir in Ihrem letzten Brief lasen, daß Sie eine schwere Krankheit bestehen mußten. Wir hoffen, daß Sie jetzt wieder völlig hergestellt sind und wieder ihrem Beruf vorstehen können.
Überhaupt, was Sie an Leid und Sorgen durch die Nazizeit & dem Krieg erdulden mußten, ist fast grenzenlos. Fast wir Alle haben gelitten, allerdings der eine mehr, der andere weniger. Und man sehnt sich darnach, nachdem dies nun alles vorbei ist, daß endlich eine friedlichere Zeit heraufbrechen möge.
Wenn man auch nicht von guten Zeiten sprechen kann, aber daß doch wenigstens Ruhe & Gerechtigkeit wiederkehren mögen.
Was mich & meine Frau betrifft, geht es uns soweit gut. Auch gesundheitlich. In meiner Herzsache ist etwas Besserung eingetreten, ich glaube es ist mehr (eine) nervöse Sache, verursacht durch den Krieg. Seit 1. Mai bin ich beim hiesigen Postamt angestellt. Wo ich im Innendienst tätig bin. Den Posten bei Geheimrat Kisskalt führen wir zwar weiter, meine Frau macht die üblichen Hausmeisterarbeiten, und ich versorge in meiner Freizeit den Garten. Es ist für uns eine große finanzielle und auch sonstige zubuse(?). Wir brauchten den ganzen Sommer über kein Gemüse kaufen, das wir in reichlichem Maße für uns & Geheimrat aus dem Garten ernteten. Auch haben wir uns eine Milchziege angeschafft, außerdem besitzen wir eine kl. Kaninchenzucht und einige Hühner. Dies alles trägt viel dazu bei, um unseren Speisezettel etwas reichhaltiger zu gestalten zu können.
Herr Geheimrat Kisskalt war vom April bis Ende August im hiesigen Internierungslager, wegen seiner Zugehörigkeit zur Dresdner Bank (Aufsichtsrat). Was nun weiter wird, muß er abwarten. Er erhofft sich durch den Nürnberger Urteilsspruch bessere Aussichten.
Herr Justizrat, die Arbeit, die er geschrieben hat über das Versicherungswesen wird nicht im Druck erscheinen, sondern hat sie nur für die amerik. Militärregierung schreiben müssen.
Herr Geheimrat sagt, er würde Ihnen sehr gerne über diese oder jene Fragen des deutsch. Versicherungswesens Auskunft geben. In unsern Hause wohnt noch ein angesehener Jurist, Herr Geheimrat (Wilhelm) Kisch. Ein alter Rechtsgelehrter. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Herr bekannt ist.
Nun Herr Justizrat wünsche ich Ihnen nochmals alles Gute & Schöne und grüße Sie hezrlichst auch von meiner Frau
Ihr Alois Mayrhans
Viele Grüße auch an Frl. Ina und Renate und Ihre Schwiegertochter