Der Maler Eduard Einschlag
Als im November 1988 anläßlich des 50. Jahrestages der faschistischen Pogromnacht im Kroch-Hochhaus – dem Ausstellungszentrum der Leipziger Universität – eine Exposition zum Leben und Schicksal der Juden in Leipzig das Interesse von 16000 Besuchern fand, gehörte die Aufmerksamkeit vieler auch den Arbeiten des Malers Eduard Einschlag. An dieser Stelle soll nunmehr einiges zu diesem heute leider kaum noch bekannten Künstler nachgetragen werden.
David Eduard Einschlag wird am 28. Februar 1879 in der Nürnberger Straße 30 als zweiter Sohn des Kaufmanns Joseph Einschlag (1849-1934) und dessen Ehefrau Dorothea geborene Armhaus (1847-1923) geboren. Sein älterer Bruder Martin (1877-1960) wird später Rauchwarenhändler und schließlich Prokurist in dem Unternehmen von Julis Ariowitsch. Seine beiden jüngeren Schwestern bleiben unverheiratet. Wanda (1883-1945) wird Konzertsängerin und eine bei Leipziger Kindern beliebte Musiklehrerin. Die jüngste Schwester Hedwig (1890-1945) arbeitet später als Handlungsgehilfin.
Da der Vater Ehrenmitglied der Leipziger Sing-Akademie und Mitbegründer des Schubertbundes war, sind seine Kinder wohl in einer musischen aufgeschlossenen Atmosphäre aufgewachsen. Über Eduard Einschlags Kindheit und frühen Jugendjahre ist darüber hinaus wenig greifbares bekannt. Jedenfalls besuchte er hier die Bürgerschule und begann dann eine Ausbildung an der Leipziger Handelsschule zum Kaufmann. Nur kurze Zeit ist er dann in der Firma seines Vaters tätig.
Seine offensichtlich nicht zu unterdrückende Begabung führt ihn bald an die Leipziger Kunstakademie, wo er seine erste künstlerische Ausbildung bei Ludwig Nieper erhielt, der von 1872 bis 1901 Direktor der Akademie war. Im Jahr 1898 wechselt Eduard Einschlag nach München zu Peter Halm. Hier ist bereits 1892 die Münchner Sezession gegründet worden. Seit 1896 lebt und arbeitet der russische Maler Wassily Kandinsky in der bayrischen Metropole. Peter Halm wird in den nächsten drei Jahren nicht nur zum ausgezeichneten Lehrer, sondern zum Freund und Förderer Eduard Einschlags.
Die weitere künstlerische Entwicklung des Leipziger Malers wird dann ab 1901 ganz entscheidend durch den Berliner Rembrandt-Radierer Karl Köpping (1848-1915) bestimmt, dessen Meisterschüler er schließlich wird. Das künstlerische Leben der Weltstadt wird zu dieser Zeit durch zahlreiche herausragende Malerpersönlichkeiten unterschiedlichster Stilrichtungen geprägt, an deren Spitze unumstritten der große Max Liebermann steht. Mit ihm, Max Slevogt und Lovis Corinth sind seit 1901 die drei Hauptmeister des deutschen Impressionismus in Berlin vereint.
Im Jahr 1907 gehört Eduard Einschlag in Berlin zu einer Gruppe von Künstlern, die eine Akademie für bildende Künstler unter dem Namen „Lietzenburg“ gründeten. Zu den Lehrern der Akademie gehörten neben Einschlag auch dessen Freund Karl Ströher, die Bildhauer Erich Schmidt-Kestner und Rudolf Marcuse, sowie der Landschaftsmaler Johannes Hänsch und der Kunsthistoriker Edmund Hildebrandt. (Berliner Tageblatt vom 06.10.1907, S. 29) Diese Akademie stellte im September des gleiches Jahres Arbeiten der Künstler im Berliner Kunstsalon Keller & Reiner aus. (Berliner Börsenzeitung vom 06.09.1907, S.7)
Als am 15.08.1907 der Komponist und Geiger Joseph Joachim starb, durfte Einschlag den Künstler auf dem Totenbett zeichnen. Aus dieser Zeichung sollte später eine Radierung entstehen. (Berliner Tageblatt vom 17.08.1907, S. 3)
Eduard Einschlag verlobt sich in diesem Jahr mit Luise Croner (1883-1945), der Tochter von Alban/Abraham Croner (1852-1913), Inspektor der Akademischen Hochschule der bildenden Künste in Berlin, und dessen Ehefrau Ida geborene Flatau (1862-1943). Die Hochzeit findet allerdings erst am 20.08.1912 in Whitechapel in England statt. Die Ehe bleibt kinderlos. Seine Schwiegermutter, sowie die zwei Schwestern seiner Frau, werden Opfer des Holocaust.
In der Großen Berliner Kunstausstellung des Jahres 1908 wurde im Saal 9b unter der Nummer 682 sein „Stilleben“ (nach Willem Kalf) zum Verkauf angeboten. Seine Wohnung liegt im belebten Zentrum der Großstadt Charlottenburg, Hardenbergstraße 33.
Im Jahr 1910 ging Eduard Einschlag nach Paris, dem kulturellen Zentrum der Avantgarde seit der Jahrhundertwende, um sich selbstständig auf dem Gebiet der Malerei und der Radierung weiterzubilden. Picasso und Braque begannen hier in diesem Jahr der bildenden Kunst eine völlig neue Richtung zu geben: Diaghilevs Companie des Ballets Russes erobert im Sturm die französische Hauptstadt.
In Paris entsteht u. a. die Kohlezeichnung „Bildnis des Bildhauers Schlosser“, die später (1910 und 1914) offensichtlich in unterschiedlichen Fassungen auch auf Ausstellungen in Leipzig zu sehen ist. Diese Arbeit ist erhalten und heute im Besitz des Museums der bildenden Künste.1910 kehrt der Maler in seine Geburtsstadt zurück und wandte sich hier etwa zwei Jahre später fast ausschließlich der Malerei zu. Porträts bemerkenswerter Persönlichkeiten gehören bald zu den beliebtesten Motiven. Seine Wohnung befindet sich zunächst in der Weststraße 27.
Im gleichen Jahr beteiligt er sich bereits mit elf Radierungen und Zeichnungen an der Ersten Jahresausstellung „Sezession“ im Städtischen Kaufhaus, die der Verein Bildender Künstler Leipzigs veranstaltet. Eduard Einschlag wirkt als Mitglied der Leipziger Sezession in der Ausstellungsleitung, deren Vorsitzender Wilhelm Schulze-Rose ist, mit.
In dieser Funktion nennt ihn auch der Katalog der Jahresausstellung 1911, an der sich der Maler und Radierer jedoch nicht mit eigenen Arbeiten beteiligt. Sein Name wird erst nach der Drucklegung in den Katalog eingeklebt. Weitere Jurymitglieder sind u. a. Bruno Héroux, Alois Kolb, Carl Ferdinand Lederer-Weida, Matthieu Molitor und Hugo Steiner-Prag .
Am 15. Januar 1912 wird der Verein „Leipziger Jahresausstellung“ – die LIA – gegründet, deren Taufpate Max Klinger ist. Da der jüdische Künstler zu den Gründungsmitgliedern dieser Vereinigung gehört, engagiert er sich auch bei der Vorbereitung seiner ersten Exposition im Juni des gleichen Jahres im Städtischen Handelshof sowohl in der Jury als auch in der Katalogkommission. Der Katalog der 2. Ausstellung der LIA 1913 nennt den Maler sogar in vier Funktionen: als Mitwirkender im Vorstand, als Mitglied der Jury sowie der Hänge- und der Katalogkommission. Eduard Einschlag selbst zeigt folgende drei Gemälde: Weiblicher Akt, Rückenakt und Lesende.
Auf der Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik – der Bugra – erregt der Künstler die Aufmerksamkeit der Besucher und der Kunstkritik. Im Saal XIX der Abteilung Zeitgenössische Graphik sind acht Radierungen und Handzeichnungen zu sehen, im Saal XXIV hängen seine Radierungen nach Edgar Degas, Klinger und Willem Kalf. Der Katalog der umfangreichen Exposition nennt Einschlag und Richard Bossert als die Anordnungskommission für den Deutschen Künstlerbund.
In der Nummer 13 der Mitteilungen von der Ausstellung schreibt Dr. Robert Corwegh zur „Zeitgenössischen Graphik in Deutschland“: „Das größte Interesse nehmen die Säle der beiden Ehrenpräsidenten dieser Abteilung, Karl Köppings, des leider jüngst Verschiedenen, und Max Klingers, in Anspruch. Köpping, der Altmeister graphischer Kunst, der Lehrer einer ganzen Künstlergeneration, ging vom Reproduktionstisch aus, um später in großen freien Schöpfungen seinem Können und eigener Gestaltungskraft Ausdruck zu verleihen.“
Und weiter: „Als Meister der Radiertechnik, was bei hoher Künstlerschaft als Lob gelten soll, fallen Paul Herrmann, Heinrich Wolff, Hans Meid und Einschlag auf, dabei sei in Ehrfurcht auch Peter Halms, des Lehrers eines Stauffer-Bern, gedacht.“ Diese Würdigung Einschlags findet ihren konkreten Ausdruck und Höhepunkt in der Verleihung der Goldenen Staatsmedaille der Bugra 1914.
Ebenfalls aus dem Jahr 1914 datiert ein Dokument, das für die Suche nach Spuren aus dem Leben des Künstlers in Leipzig von Bedeutung ist: das Mitgliederverzeichnis des Leipziger Kunstvereins. Dass der jüdische Maler Mitglied dieses sehr bedeutsamen und agilen Vereins ist, der unzählige namhafte Persönlichkeiten der Stadt und des Landes Sachsen angehören, bestärkt die Vermutung, daß sich Einschlag sehr eng mit seiner Heimatstadt verbunden fühlt.
Aus dem Mitgliederverzeichnis ergibt sich auch seine damalige Wohnanschrift: Thomasiusstraße 28. Hier lebt er gemeinsam mit seiner Frau Luise geborene Croner (1883-1945) bereits seit 1912. Das ist eine ganz besondere Adresse, die in der Liste noch weitere viermal genannt wird.
Hier wohnen: der Maler Rüdiger Berlit (1883-1939), der später ebenfalls wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgte Buchgestalter Hugo Steiner-Prag und der Gewandhauskapellmeister Arthur Nikisch (1855-1922). Der Expressionist Berlit und der Impressionist Einschlag wohnen Tür an Tür in der IV. Etage dieses Hauses. Wie sich jedoch die Beziehung zwischen den beiden künstlerisch so verschiedenen Malern gestaltet, bleibt bis heute im Dunkeln.
Auch Frau Anna Meder, deren Beruf mit „Kaufmann“ angegeben ist und die ebenfalls in diesem Haus wohnt, ist so kunstinteressiert und -engagiert, daß sie zu den Mitgliedern des Leipziger Kunstvereins gehört. Aber noch weitere Namen tauchen auf, die mit unserem derzeitigen Wissen über das Schaffen Eduard Einschlags in unmittelbarer Verbindung stehen.
Dr. jur. Hermann Halberstam (1865-1942), Kaufmann und vormals Hof- und Gerichtsadvocat in Wien, verdanken wir wohl eines der wesentlichsten Bilder des Malers. Der Kunstmäzen und erfolgreiche Kunstsammler schenkte dem Museum der bildenden Künste 1927 das „Selbstbildnis des Künstlers“, das zu den wenigen erhaltenen Gemälden gehört.
Der langjährige Direktor der Stadtbibliothek und des Stadtarchivs Ernst Kroker ist ebenfalls Mitglied des Leipziger Kunstvereins.
Eduard Einschlag porträtiert den namhaften Luther-Forscher – eine Straße in Gohlis trägt seinen Namen – für die Stadtbibliothek, die damals einen umfangreichen Kunstbesitz ihr eigen nennen kann. Heute endet die Suche nach diesem Bildnis mit einem Inventarverzeichnis.
Als die Stadtbibliothek am 4. Dezember 1943 ausbrennt, bedeutet das für die Buchstadt einen unersetzlichen Verlust. Von besonderem Interesse ist hier das Verzeichnis über die Schäden an unbeweglichen Sachen, Inventar und künstlerischer Ausstattung. Dort findet sich unter der laufenden Nummer 223 folgende Eintragung: „Boden – Abstellraum: 2 Bildnisse v. E. Kroker u. K. Rothe gemalt von E. Einschlag und W. Geiger ausgemust(ert) wegen express(ionistischem) Stils u. jüd(ischer) Maler. Materialwert: 110 RM.“
Die 3. Ausstellung der LIA findet erst 1916 – ohne Beteiligung Einschlags – statt. Aber bereits die 4. Jahresausstellung im Frühsommer 1917, die mit einer Exposition von Jugendwerken Max Klingers verbunden ist, zeigt zehn Arbeiten des jüdischen Künstlers, darunter allein fünf Gemälde. Unter anderem wird der „Akt im Grünen“ zum Preis von 2.000 Reichsmark angeboten.
1919 fungiert Einschlag als Schatzmeister der LIA. In der Ausstellung dieses Jahres ist er mit sechs Pastellen vertreten. Die 6. Ausstellung der LIA im Limburger Haus am Neumarkt im Herbst 1920, an der sich auch Ernst Barlach beteiligt, zeigt Pastelle und Aquarelle des Künstlers. Die Leipziger Kunstkritik schreibt damals: „Malerisch die reifste Kultur bringen Eugen Hamm und Eduard Einschlag mit, für Leipzig die impressionistische Tradition am besten zusammenfassend. Einschlags Pastelle bleiben farbig und zeichnerisch auch dann außerordentlich, wenn sie innerlich nicht allzuviel geben; seine Aquarelle, die Tuschzeichnung „Spanierin“ sind reizvoll, vielleicht ein wenig zu sehr ins gegenständliche Spiel verflochten, und werden überall außer in der Nachbarschaft Klees zart wirken!“
Und Ludwig Erich Redslob schreibt am 4. Oktober 1920 im Leipziger Tageblatt: „Vollsaftigsten Impressionismus bietet wieder: Eduard Einschlag in seinen prachtvoll sonoren Pastellakten, auf denen das Auge in heller Freude ausruht. Der geschmeidige Naturalismus seiner „Spanierin“ ist eine Feinschmeckerei für sich!“
Als der Generaldirektor der Berliner Museen Wilhelm von Bode 1920 70 Jahre alt wird, erhält Eduard Einschlag von einer Gruppe Leipziger Verehrer den Auftrag, eine graphische Wiedergabe des Rembrandt-Selbstbildnisses im Leipziger Museum der bildendn Künste herzustellen. Dieses „ausgezeichnet gelungene Kunstblatt“ mit einer auf den Anlass bezogenen Unterschrift versehen, wurde dem Jubilar in einer kostbaren Mappe durch eine Leipziger Deputation feierlich überreicht. (Leipziger Tageblatt vom 10.12.1915, S. 7)
1921 sind auch Arbeiten von Lyonel Feininger und Kurt Schwitters auf der Leipziger Jahresausstellung zu sehen. Einschlag bietet ein Blumenstilleben für 5.000 Reichsmark zum Kauf an. Dagegen sind seine Zeichnungen „Zeise-Gött“ und „Max Schwimmer“ unverkäuflich.
Ab dem folgenden Jahr ist keine Beteiligung des jüdischen Malers in der LIA nachzuweisen. Das 1925 erscheinende Mitgliederverzeichnis nennt ihn nicht mehr. Über die Gründe hierfür kann jedoch nur spekuliert werden, sie können sowohl rein künstlerischer, aber durchaus auch politischer Natur gewesen sein.
Als der Leipziger Künstlerbund 1925 eine Ausstellung seiner Mitglieder zeigt, schreibt „Der Cicerone“ – die seit 1909 erscheinende Zeitschrift für Künstler, Kunstfreunde und Sammler – folgendes: „In der Staatlichen Akademie hatte der Leipziger Künstlerbund eine nicht allzu umfangreiche, aber gut disponierte Schau von Arbeiten seiner Mitglieder zusammengestellt.
Da in dieser Vereinigung fast alle namhafteren Leipziger Künstler wie Walter Tiemann, Erich Gruner, Hans Alexander Müller, Paul Horst-Schulze, Fritz Ernst Rentsch, Hugo Steiner-Prag, Alois Kolb, Walter Buhe, Eduard Einschlag, Heinz Dörffel (1890-1953), Albrecht Leistner, Felix Pfeiffer u. a. m. vertreten sind, bot die Ausstellung zwar keine besonderen Überraschungen, aber auch keine Experimente und problematischen Erscheinungen. Fremde Gäste waren nicht geladen worden. Ganz besondere Beachtung verdiente Eduard Einschlag, der bisher außerhalb Leipzigs mit Unrecht zu wenig bekannt wurde. Seine in den letzten Jahren sich steigernde Entwicklung von einer zeichnerischen Art zu einer rein malerischen Behandlung ist nicht gewöhnlicher Natur. Sein „Selbstporträt“ sowie das „Stilleben mit Krügen“ sind reife Leistungen bester malerischer Kultur.“
Als Studenten des Leipziger Universitätsprofessors Hans Driesch diesen zu seinem 60. Geburtstag am 28.10.1927 auf besondere Weise ehren wollen, kaufen sie das Porträt dieses Philosophen und Biologen von Eduard Einschlag. Hans Driesch hat sich bereits 1926 sehr mutig und entschlossen für den jüdischen Philosophen Theodor Lessing eingesetzt, als dieser wegen seines Hindenburg-Aufsatzes auf breiter Front verfolgt und verfemt wird. Das Leipziger jüdische Familienblatt vergleicht den Fall mit der „Dreyfuß-Affäre“ und würdigt die Haltung Prof. Drieschs dazu.
Daß sich die Studenten unter mehreren Angeboten nur für Einschlags Fassung entscheiden, ist für das Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde Anlaß, mit berechtigtem Stolz und Selbstbewußtsein auf dieses außerordentlich begabte Gemeindemitglied aufmerksam zu machen.
Spätestens an dieser Stelle muß auf die aktive Rolle hingewiesen werden, die der Künstler innerhalb der jüdischen Gemeinde einnimmt.
Im Ring-Meßhaus wird vom 8.1. bis 5.2.1928 eine Exposition unter dem Titel „Das junge Deutschland“ gezeigt. Als es gelingt, zu erwirken, daß sich auf einer 4-m-Wand die jüdische Jugend präsentieren kann, übernimmt Eduard Einschlag gemeinsam mit Eugen Mittelmann – dem Sohn des Photographen Abram Mittelmann, dessen Fotoarchiv in der Ausstellung im vergangenen Jahr im Kroch-Hochhaus im Zentrum der Aufmerksamkeit stand – die Gestaltung dieses jüdischen Beitrages.
Erst in der Sommerausstellung des Leipziger Künstlerbundes E. V. im Kunstverein im Museum am Augustusplatz im Jahre 1930 werden wieder Arbeiten Eduard Einschlags öffentlich in Leipzig gezeigt. Neben Handzeichnungen, die sowohl Aktdarstellungen als auch Stilleben zum Gegenstand haben, ist das Bildnis des Geheimrates Prof. Dr. Johannes Volkelt zu sehen. An dieser Exposition beteiligt sich auch ein weiterer jüdischer Leipziger Maler: Abraham Jaskiel (1894-1987).
Wiederum hat sich Einschlag auch bei der Vorbereitung dieser Ausstellung engagiert. Der kleine Katalog nennt ihn als Mitglied der Hängekommission.
Daß sich Eduard Einschlag auch als Holzschneider betätigt, kann bisher nur noch durch eine winzige Reproduktion aus der Bildersammlung „Die zeitgenössische Schwarz-weiß Kunst“ (Sonderdrucke aus dem Kalender „Kunst und Leben“) bewiesen werden. Hier wird der Originalholzschnitt „Am Fenster“ zum Kauf angeboten.
Eines der wenigen erhalten gebliebenen Porträts befindet sich im Besitz der Leipziger Universität. Der Künstler hat 1928 den Auftrag erhalten, den hochgeachteten Medizinhistoriker Karl Sudhoff anlässlich seines 75. Geburtstages zu malen. Das Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften ließ 1929 einen Lichtdruck dieses Gemäldes anfertigen und überreicht es Freunden und Förderern in nummerierter Auflage als Jahresgabe. Das Original wurde im vorigen Jahr in der Präsentation des Instituts im Kroch-Hochhaus gezeigt.
In der Festschrift der Gemeinde zum 75jährigen Bestehen der Gemeinde-Synagoge aus dem Jahre 1930 findet sich eine Reproduktion eines weiteren Gemäldes: das Porträt des Geheimrates Abraham Adler. Dieses verdienstvolle Gemeindemitglied ist auch der Initiator und langjährige Rektor der heutigen Handelshochschule gewesen.
1931 entsteht ein Bild des Alten jüdischen Friedhofes in der Berliner Straße, über dessen Schicksal ebenfalls bisher nichts bekannt ist.
Als am 7. Oktober 1934 (Hitler ist bereits über ein Jahr an der Macht) der Rabbiner Felix Goldmann stirbt, erleidet die Gemeinde in der dunkelsten Zeit ihrer Geschichte einen schmerzlichen Verlust. Trotzdem setzen sofort Bemühungen ein, diesen verdienstvollen Rabbiner zu würdigen und in seinem Sinne weiter zu wirken. Es wird der Felix-Goldmann-Gedächtnisbund gegründet, der seit 1935 im jüdischen Jugendhaus, das 1931 in der Elsterstraße 7 eingeweiht wurde, seinen Sitz hat. Hier hängt auch das von Eduard Einschlag geschaffene Porträt des Rabbiners. Auch dieses Werk muß als verschollen – wahrscheinlich vernichtet – gelten.
Die Exposition anläßlich des 50. Jahrestages im Kroch-Hochhaus zeigte die Mechanismen der Verfolgung, Vertreibung und physischen Vernichtung der Juden in unserer Stadt auf.
Auch der Jude Eduard Einschlag ist diesen Repressalien ausgesetzt. Er hat jedoch aus der Sicht der faschistischen Machthaber einen weiteren „Makel“: Er ist nach dem Gesetz polnischer Staatsbürger, denn die gesamte Familie hatte ihre österreichische Staatsbürgerschaft im Ergebnis des Ersten Weltkrieges verloren. Darum gehörte er mit seiner Frau und seinen beiden unverheirateten Schwestern Wanda und Hedwig zu den ca. 5.000 Leipziger Bürgern, die in der Nacht vom 28. zum 29. Oktober 1938 im Flußbett der Parthe zusammengetrieben, beschimpft und bespieen und dann in Eisenbahnwaggons an die polnische Grenze verfrachtet wurden. Die Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Judentum“ hat am Ort dieses barbarischen Ereignisses im November 1988 einen von Peter Makolies geschaffenen würdigen Gedenkstein eingeweiht.
Nach der Befreiung wird von Überlebenden berichtet, daß Eduard Einschlag in Warschau lebte. Er soll dort wahrscheinlich bereits Ende 1939 umgekommen ist. Seine Frau und seine beiden Schwestern teilten sein Schicksal. Da es bis heute keine gesicherten Erkenntnisse zu den Umständen und zum Zeitpunkt des Todes gibt, wird amtlicherseits der Todeseintritt am 08. Mai 1945 vermutet.
Sein Bruder Martin konnte sich mit Frau und Kind durch Flucht nach Frankreich retten, wo die Familie untertauchte. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Frankreich wurde Martins Frau Johanna bei einer Razzia verhaftet und deportiert. Auch sie überlebte den Holocaust nicht.
Einziges in Leipzig zurückgebliebenes Familienmitglied war der hochbetagte Dolmetscher Victor Armhaus, ein Onkel mütterlicherseits. Er lebte zuletzt in einem Zimmer des Ariowitsch-Altersheimes. Von dort wurde er nach Theresienstadt deportiert, wo er wenig später verstarb.
Als der Verlag Volk und Buch 1948 die Mappe „Zwölf Leipziger Maler“ mit einem Vorwort von Hans Kinkel herausgibt, ist darin auch eine Farbreproduktion eines „Früchte“-Stillebens von Eduard Einschlag enthalten. Damals wird er in eine Reihe mit Malern wie Oskar Behringer, Walter Bodenthal, Ernst Hassebrauck, Walter Münze und Heinz Eberhard Strüning gestellt.
Im gleichen Jahr zeigt mit großem Engagement die Kunsthandlung Malz in der Liviastraße 6 eine Gedächtnisausstellung für Eduard Einschlag. Diese Kunsthandlung verkaufte seine Werke früher in der Kolonnadenstraße. Die 38 Werke des umgekommenen Künstlers trug Charlotte Malz aus eigenem Besitz und von früheren Käufern zusammen.
Im Jahr 1959 schreibt Professor Max Schwimmer über seinen Künstlerkollegen:
„Eduard Einschlag war eine führende Persönlichkeit des Leipziger, ja des deutschen Kunstlebens. Er hat als Maler und Graphiker großen Erfolg gehabt und galt unter den Künstlern als eine anregende und bedeutende Persönlichkeit.
Die künstlerische Jugend verehrte und bewunderte ihn. Er war Mitglied des Deutschen Künstlerbundes und im Vorstand der von Max Klinger begründeten LIA (Leipziger Jahresausstellung). Der Generaldirektor der Berliner Galerien Geheimrat Dr. Bode schätzte sein hohes Können und ließ verschiedene Meisterwerke holländischer Kunst des 17. Jahrhunderts von ihm in graphischen Techniken herstellen. Einschlag studierte in München, Berlin und Paris. Seine Ermordung durch die Nazis hat alle anständigen Künstler Leipzigs tief bewegt und erschreckt. Wir betrauern ihn und werden ihn nie vergessen.“
Der heute leider weitgehende vergessene Maler und Graphiker Eduard Einschlag gehörte ohne jeden Zweifel zu den bedeutendsten Leipziger Künstlern in den zwanziger und dreißiger Jahren.
Hieraus ergibt sich die Verpflichtung, sein erhalten gebliebenes künstlerisches Werk zu pflegen und einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Nach Dresslers Kunsthandbuch besaßen (und besitzen?) die Kupferstichkabinette in Berlin und Dresden sowie die Graphische Sammlung in München weitere Arbeiten des Künstlers. Einzelne Werke befinden sich in Privatbesitz. Das Museum für Geschichte der Stadt Leipzig besitzt zwei Porträts von Barnet Licht aus dessen Nachlaß.
Es ist deshalb zu hoffen, daß in absehbarer Zeit eine umfassende Gedächtnisausstellung – z. B. im neu eröffneten Leipziger Museum der bildenden Künste – diesen zu Unrecht vergessenen jüdischen Leipziger Maler, Radierer und Holzschneider angemessen ehrt.
Überarbeitete Fassung der Erstveröffentlichung:
Sächsische Heimatblätter, 1990, Heft 5, S. 271-273