dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Dr. jur. Erich Ebermayer
Rechtsanwalt
Leipzig, am 10.05.1926
Leibnizstraße 27

Hochverehrter Herr Justizrat!

Verzeihen Sie, wenn ich mich in einer persönlichen, mir sehr am Herzen liegenden Frage an Sie wende und Sie um Ihren erfahrenen Rat bitte.
Zur Zeit verhandle ich mit Herrn Schauspieldirektor (Alwin) Kronacher, der mich als zweiten Dramaturgen an Alte Theater berufen will. Ich habe mich unlängst hier als Anwalt niedergelassen und beabsichtige, z u n ä c h s t  mich nur mit halber Kraft  und nur mit Strafverteidigungen zu beschäftigen, so daß ich zu der mich lockenden Aufgabe Zeit hätte. Eine Besoldung ist zunächst nicht vorgesehen, da die Stadt nicht die Mittel für einen jüngeren Dramturgen neben Herrn (Paul) Prina bewilligen würde und dies erst unlängst abgelehnt hat. Meine Stellung wäre selbstständig und nicht durch schriftlichen Vertrag fixiert. Dagegen ist sie insofern offiziell gedacht, als ich den Mitgliedern und der Presse gegenüber Dramaturg wäre.
Trotz eifriger Bemühungen habe ich in der Rechtsanwaltsordnung und in dem Kommentar von (Max) Friedländer nichts finden können zu der Frage, ob die geplante Stellung als „unvereinbar mit dem Beruf oder der Würde der Rechtsanwaltschaft“ anzusehen ist. Meine Frage an Sie, hochverehrter Herr Justizrat, geht in diese Richtung. Ich persönlich glaube nicht, dass irgendwelche Bedenken vorliegen, zumal wenn und solange die Stelle unbesoldet ist. Wenn Sie die grosse Liebenswürdigkeit haben würden, mir mit ein paar Zeilen Ihre Ansicht zu sagen, bevor ich mit Herrn Dr. Kronacher abschließend verhandle, wäre ich Ihnen ausserordentlich verbunden.
Darf ich Sie bitten, streng vertraulich zu behandeln?
Mit den besten Empfehlungen verbleibe ich
Ihr hochachtungsvoll ergebener Erich Ebermayer