dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Borna, 26.4.46

Lieber Martin!

Nachdem ich mich gestern erst bedankt habe für alle Eure Liebe u. Güte u. alle Wohltaten, die Ihr mir erwiesen habt, komme ich heute zu Dir mit einer Frage, vielmehr mit einer Bitte. Ich erwähnte schon gestern, dass Teddy wieder recht elend ist u. unter heftigen Schmerzen zu leiden hat, er sieht zum Erbarmen aus u. leidet sehr. Meiner Meinung nach ist der Grund nicht nur in seinem körperliche Leiden zu suchen, sondern er quält sich, ohne darüber nur ein Wort zu verlieren, mit Sorgen. Ohne ihm etwas davon zu sagen, wende ich mich deshalb heute vertrauensvoll an Dich, um anzufragen, ob es Dir wohl möglich wäre, uns einen Geldbetrag vorzuschiessen, der selbstverständlich allmählich pünktlich zurückgezahlt würde. Es bieten sich hier doch jetzt allerhand Möglichkeiten, dringende Anschaffungen zu machen, die man sich doch in unserer Notlage nicht gern entgehen lässt, es fehlt zuviel am Nötigsten. Von dem leider sehr gekürzten Gehalt kann Teddy solche Ausgaben nicht machen; ich habe nur noch wenig Bargeld u. bis jetzt noch keinen Pfennig Pension bekommen, unser Beider Spargeld ist auf der Bank eingefroren, also was soll geschehen. Nach u. nach kann Teddy alles abzahlen, er ist so peinlich in Geldsachen. Eitner ist umgehend befriedigt; er hatte aber hier Lampen bekommen, Kochgeschirre etc., so dass eine Erschöpfung des Geldbeutels eingetreten ist. Da ich Boses Haushalt völlig teile u. von ihnen aufs Rührendste verpflegt werde, fühle ich mich doch auch verantwortlich dafür, ohne wirklich helfen zu können.
Also, mein guter Martin, überlege Dir die Sache u. gib mir dann Nachricht, ob Du meine Bitte erfüllen kannst. Am schönsten wäre es, wenn Du selbst einmal kämst, es ist so wunderhübsch hier in unserer friedlichen Häuslichkeit bei dem idealen Wetter. Wir wohnen mitten in grünen u. blühenden Bäumen. Meine Gedanken sind viel bei Dir u. Euch Allen, hoffentlich geht es Euch Allen gut. Nächste Woche gehe ich zum Arzt; sage der guten Ine, dass ich bis dahin pünktlich die Krausseschen Verordnungen befolge. Sehr dankbar wäre ich, wenn ich meinen schmerzlich entbehrten Klemmer bald bekommen könnte. Möglicherweise kommt Heinz vv. Bose nächste Woche einmal hierher. Sollte der Klemmer noch nicht abgeschickt sein, könnte er ihn ja mitbringen. Telefon Nebenstelle Heilandskirche, Pfarrer Kühn. Und nur nichts für ungut, mein lieber Martin, ich weiss, dass Du mich verstehst, sage mir nur ganz offen, wie Du über meine Bitte denkst. Ich grüsse Euch Alle sehr herzlich u. bin mit besonders herzlichen Grüssen für Dich in Liebe stets
Deine alte treue Schwester Betty