dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Aus den Upanishaden
6. Jh. v. Chr.

Für meinen Freund
Naumburg, 18. Dezember 1924

Ist es nicht, als würden die Menschen hier unten wie von etwas ausgepeitscht, das sie immer aufjagt und vorwärtshetzt, bis sie entkräftet zusammenbrechen? Hinter jedem ist dies grausam Rastlose hinterher, und es macht keinen Unterschied, objemand nach einer Krone giert oder nach einem armseligen Stück Acker.
Aber Reiche splittern und Aecker liegen brach, es geht alles einmal zu Ende.
Wer Gutes tut, der glaubt, der Himmel würde sein. Seligkeit willst Du erwerben? Sie wird Dir werden.
Doch weil bei jedem guten Werk Du immer nach dem Himmel schieltest, und so laut Deine Psalmen sangst, dass ja auch Gott sie höre; und wenn die Linke auch nicht wusste, was die Rechte tat, dies stets Dein Trost war, dass wenigstens doch Gott es wisse: darum wird auch im Himmel immer etwas bei Dir stehn, und Deine Seligkeit sie wird Dir zugemessen.
Wer aber von hinnen scheidet, nachdem er Gott erkannt hat, wer nicht Gutes tat, weil er gut sein wollte, sondern Gutes tat, weil er gut war, dem wird auch alle Seligkeit wie von selbst zufließen, grenzenlos.
Liebte er hier seinen Vater, so wird es über ihn kommen, als halte ihn eine feste, sorgende Hand.
Liebte er hier seine Mutter, so wird es ihm sein, als berge er sich in einem Schoß und eine weiche Hand streichle sein Haupt.
Liebte er hier seinen Bruder, so wird es sich verstanden fühlen, wie bei dem Spiel der ersten Kindheit.
Liebte er hier seine Schwester, so wird ihm sein, als blühe um ihn her, was bei ihm so hart und trocken stand.
Liebte er hier seinen Freund, so wird ihm sein, als drücke ihn jemand fest und treu die Hand.
Liebte er hier seine Frau, so wird es in ihm fluten und umarmen.
Liebte er hier seinen Nächsten, so wird er fühlen, dass er selig selig sein darf.
Liebte er hier alle Lebende, so wird er fühlen, dass er selig sein kann.
Liebte er hier alles, so wird er fühlen, dass er selig sein muss.
Und er wird selig sein.