15. April 1946

Hochverehrter Herr Präsident!

Unter den zahlreichen Glückwünschen, die trotz aller Verschwiegenheit mich bei meinem Doktorjubiläum erreichten, ist ihr Schrfeiben vom 28. März mir von ganz besonderem Werte. Während des bei weitem größten Teils dieser 50 Jahre ist Ihre berufliche Lebensbahn parallel der meinigen und auch nach Ihrem Übertritt in den Richterstand stets in deren nächster Nähe verlaufen. Die Gemeinsamkeit unserer Grundanschauungen über Bedeutuung und Gestaltung einer wahren und gerechten Rechtspflege hat uns während Ihrer Anwaltszeit eng verbunden und wohl auch Sie ebenso wie mich in der das Recht mehr und mehr verleugnenden Hitlerzeit nach Wiederkehr besserer Verhältnisse festhalten lassen. Nebeneinander stehen wir nunmehr vor der großen Aufgabe, in einem neuen Staatswesen, das nach Geistesfreiheit streben soll, den beiden Berufsgruppen der praktischen Juristen die ihnen gebührende Stellung wieder zu gewinnen, die in zwölf Jahren der Herrschaft des Ungeistes und der Rechtsverachtung erschüttert worden ist. Das Bewußtsein dieser engen Verbundenheit mit Ihnen hat Ihrem Glückwunsche eine überaus starke Resonanz in meinem Herzen verliehen. Nehmen Sie meinen aufrichtigen Dank freundlich entgegen!

In altern Freundschaft
Ihr Ihnen stets ergebener
(Drucker)