dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

München 13, 16.III.46
Elisabethstr. 7 III l.

Lieber und verehrter Fempe,

Dies ist nun der vierte oder fünfte Versuch seit mehr als Jahresfrist, mit Ihnen Verbindung aufzunehmen. Vor (ein) paar Tagen führte mich nun ein sogenannter Zufall mit H(ermann). Mau zusammen, wenn auch nur für paar Sekunden. Von ihm erfuhr ich Ihre neue Anschrift und hoffe, daß Sie diese Zeilen nun endlich erreichen.
Dass nun auch Heinrich diesem Kriege zum Opfer gefallen ist, hat mich tief erschüttert. Wieder ist ein Stück gemeinsamer Jugend vorüber. Mögen Sie an den kleinen Enkeln Trost finden für den schweren Verlust, der Sie und die Ihren betroffen hat. Ich bewundere tief, dass Sie trotz der schweren Schicksalsschläge des letzten Jahrzehnts sich Ihre Spannkraft bewahrt haben und nun die Genugtuung eines ungehemmten beruflichen Schaffens unter Einsetzung in alte ehrenvolle Posten erleben.
Wie geht es Ursel und ihren Schwägerinnen? Sollte sie nicht bei Ihnen leben, so leiten Sie doch bitte die beiliegenden Zeilen an sie weiter.
Von Heinrich erhielt ich noch kurz vor Beginn der grossen Russenoffensive im Januar 1944 Nachricht. Dann ging natürlich alles im Chaos des Frontzusammenbruchs unter. Dass ich ihm heil entkommen bin, erscheint mir noch heute wie ein Wunder. Haben Sie Näheres über die Umstände von Heinrichs Tod erfahren? –
Über meine eigenen Schicksale werde ich in den nächsten Tagen ausführlicher schreiben. Im vergangenem Halbjahr ging es mir als Dolmetscher und Sprachlehrer ganz gut. Inzwischen bin ich ein Opfer des hier sehr strengen Nazi-Säuberungsgesetzes geworden, und ich befürchte bis zu meiner Rehabilitierung wird noch geraume Zeit vergehen. –
Möge es Ihnen und den Ihren so gut ergehen wie es den Zeitumständen nach nur möglich ist.
Ich grüsse Sie sehr herzlich
Ihr stets getr. Gerhard Herrmann

Meine herzlichsten Grüsse an Ina und Renata. Was machen sie jetzt? Sind sie in Leipzig oder irgendwo in der Welt?