dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

5.9.46

Lieber Matz!

Als wir abgefahren waren, fiel uns ein, dass ich Dir doch gar keine Verhaltungsmassregeln gegeben hatte, betreffend Deine Freizeitgestaltung. Ich hoffe, Du bewältigst dieses Problem zu Deiner Zufriedenheit. Hast Du alles, was Du brauchst? Schläfst Du viel? Aufwarten sollst Du mir allerdings nicht, denn ich denke mir, ehe die Post da wäre, wäre ich schon in Nitzschka. Mein Plan, am Freitag dorthin zu kommen und Sonnabend zurückzufahren, besteht auch weiter. Vielleicht kommen Ursel und Michael dann mit, um Dich abzuholen (am Sonnabend). Unsere Rückreise verlief ohne Zwischenfall, nur Herrn Schneider bezahlte ich nicht, weil er es ablehnte. Michael hat die Reise grossen Eindruck gemacht, aber denke nur, er erzählte dem Christian und Renate, er wäre in einem Zoologischen Garten gewesen! Eine Ansammlung von Tieren findet eben nach seiner bisherigen Erfahrung nur dort statt. Es ist doch gut, dass er endlich mal aufs Land kann. Heute früh hatte ihm Renate den Unterschied von Singular und Plural klar gemacht an dem Beispiel: man sagt eine Kuh aber zwei Kühe, weil er das nicht richtig machte. Vorhin beim Abendessen redete er nun immerfort vor sich hin „wenn’s eins ist, sagt man Huhn, wenn’s mehre sind, sagt man Hühner“; fröhlich ging’s weiter: „wenn’s eins ist sagt man Brot, wenn’s mehre sind, sagt man Bemmchen“. Heute nachmittag war er mit der Unitt (?)  auf der Messe, wo er ungefähr 20 x Karussel gefahren ist, und in einer Würfelbude gewürfelt hat.

Beiliegenden Brief schickte heute Herr (Helmut) Schorr, er war wohl nicht selbst hier; vorhin telefonierte Frl. (Hildegard) Goldfriedrich, der wir sagten, Du wärst verreist. Sie hat aber schon Tomaten für Dich gepflückt und bringt sie morgen aufs Büro, wo sie Renate abholen wird. Wir können sie aber nicht bis zu Deiner Rückkehr aufheben, sie werden sich nicht solange halten. Sonst wurde uns noch Brot gespendet.

Ich bewohne jetzt am Abend allein Dein Zimmer, wo ich mich in den  Genuss des Schreibtischs und der Lampe gesetzt habe; da ziemlich gutes Wetter war, habe ich sonst den Dachgarten ausgekostet. Renate ist im Gewandhaus. Ursel war gestern abend, oder man kann sagen, nacht, bei Frau (Hanna) Stentzler, wo es sogar Abendessen gab und wohl von Politik gesprochen wurde. Christian ist heute in Gohlis und die Ida ist krank, sie sieht scheusslich aus.

Ich lege noch die Briefmarken bei, die vom Büro kamen, soweit sie nicht durch Zusammenkleben ganz zerstört waren.

Grüsse Schormanns schön und mache es Dir gemütlich

Ina