dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Chemnitz, Heinrich-Beckstr. 5

Sehr geehrter Herr Justizrat!

Ich bitte Sie, es mir nicht zu verübeln, wenn ich heute einmal mit einer persönlichen Bitte zu Ihnen komme. Vor kurzem erfuhr ich, dass Ihre Standesorganisation durch die Inflation verarmte Anwälte und Anwaltswitwen unterstützen. Meine gute Mutter, die wie Sie wissen die Witwe des 1911 verstorbenen Rechtsanwaltes Robert Oertel in Leipzig ist, hat durch die Inflation ihr Vermögen vollständig eingebüßt. Sie lebt lediglich von unserer Unterstützung und hatte bis vor kurzem ein Zimmer ihrer bescheidenen Wohnung, Arndtstraße 43, … vermietet. Infolge ihres hohen Alters fällt ihr das Vermieten sehr schwer, sie ist vor kurzem 84 Jahre alt geworden. Die Unterstützung, die ihre Söhne ihr gewähren können, ist bei den äußerst knappen Gehaltsverhältnissen auch nur eine recht geringe. Es würde mir nun eine große Freude sein, wenn ihr Lebensabend noch ein wenig freundlicher gestaltet werden könnte. Ich wende mich deshalb an Sie, der Sie ja in Ihrer Standesorganisation an hervorragender Stelle stehen, wenn bei Ihnen Mittel zu derartigen Zwecken vorhanden sein sollten, mit der Bitte, meiner alten Mutter zu gedenken und ihr, wenn möglich, eine laufende Unterstützung zukommen zu lassen.
Für Ihre persönliche freundliche Verwendung für meine Mutter wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ebenso würde ich es dankbar begrüßen, wenn Sie mir einmal kurze Nachricht über die Aussichten oder den etwaigen Erfolg meines Schreibens zukommen ließen.
Mit herzlichen Grüßen bin ich Ihr Ihnen aufrichtig ergebener
Landgerichtsdirektor Dr. Oertel