dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Rechtsanwalt und Notar  Dr. jur. Johannes Berthold
Dittrichring 11, I.
Leipzig C 1, den 29.Nov.1945

Herrn
Justizrat Dr. D r u c k e r
Leipzig S3
Brandvorwerkstr.

Hochgeehrter Herr Justizrat !

Sie werden kaum vermuten, dass meine Gedanken in den letzten Monaten öfter bei Ihnen gewesen sind. Durch Zufall bin ich mit Herrn Rudolf Fischer und Frau Laue-Mitter zusammengetroffen und habe da leider erfahren, dass Sie nach dem schweren Verlust Ihres Büros auch noch Ihre Wohnung einbüssen mussten. Sie können versichert sein, dass mich das ausserordentlich geschmerzt hat. Ich erklärte sofort Herrn Fischer, als er mir das erzählte, dass Sie dann zur Not bei mir unterkommen könnten.
Nun haben Sie aber wohl inzwischen wieder eine andere Wohnung gefunden und ich wünsche von Herzen, dass Sie sich nach all dem Schweren, was Sie durch diesen unseligen Krieg haben durchmachen müssen, leidlich wieder zurechtgefunden haben. Ich hatte wiederholt Grüsse an Sie aufgetragen. Ob sie Ihnen zugegangen sind, weiss ich nicht.
Ich hatte mich Mitte März meines Leidens wegen nach Bernau, Obb. begeben (ganz in der Nähe von Prien), um hier die Entwicklung der Dinge abzuwarten, und ich habe bisher noch keine Möglichkeit gefunden, nach Leipzig zurückzukehren, möchte das aber doch so bald wie möglich tun, um wieder beruflich tätig sein zu können.
Hier stellen sich mir nun unvorhergesehene Hindernisse entgegen, und da komme ich noch mit einer Bitte zu Ihnen für deren Erfüllung ich Ihnen herzlich dankbar sein würde. Seien Sie mir deshalb nicht böse.
Ich habe mich leider 1933 auf Drängen fanatischer Collegen bestimmen lassen, in die Partei einzutreten, obwohl ich nie einer politischen Partei angehört habe, um bald das Unüberlegte dieses Schrittes einzusehen. Ich habe grundsätzlich nie mit diesen Herren sympathisiert, bin sogar seit 1934 schärfster Gegner gewesen und habe mich deshalb sogar einmal vor der Gestapo verantworten müssen.
Nun trage ich die Folgen und werde nur wieder zugelassen, wenn ich, wie Ihnen ja wahrscheinlich bekannt ist, den Nachweis einer antifaschistischen oder antimilitaristischen Betätigung erbringe.
Ich gestatte mir deshalb bei Ihnen anzufragen, ob Sie bereit wären, mir eine kurze Erklärung in der angegebenen Richtung zukommen zu lassen. Wenn wir auch nicht häufig miteinander in Verbindung gewesen sind, so glaube ich doch, dass Sie nach meinen wiederholten Aeusserungen Ihnen gegenüber meine gegensätzliche Einstellung gegenüber dem Nazisystem haben erkennen können.
Sie können versichert sein, dass ich unter der gegenwärtigen Lage außerordentlich leide und dass ich überhaupt nicht den Gedanken zu fassen vermag, nach 38jähriger Berufstätigkeit, der ich mich immer mit Freude hingegeben habe, auf diese Weise zu enden. Man kann mir nur den Vorwurf der Unüberlegtheit bei dem Eintritt in die Partei machen. Meine ganze Tätigkeit war aber sonst gegensätzlich gerichtet und ich habe aus dieser Einstellung auch nie einen Hehl gemacht. Keines meiner Familienangehörigen ist je Parteimitglied gewesen und hat mit mir stets die Bewegung mit all ihren Taten verdammt.

Haben Sie jedenfalls im Voraus für alle Mühe aufrichtigen Dank.
In Hochachtung und Verehrung verbleibe ich
Ihr   stets ergebener (Berthold)