Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
Wisselsheim 6. Juli 1946
Mein lieber Martin!
Unendlich lange haben wir nichts mehr voneinander gehört. Vor Monaten schrieb ich Dir eine Karte, ohne Antwort zu erhalten. Ich hoffe, daß es Dir & allen Deinen Lieben so gut geht, als es unter den heutigen Verhältnissen möglich ist. Seit April 1944 wohnen meine Frau und ich infolge Ausbombung & völliger Zerstörung unseres Hauses hier auf dem Dorfe, wo wir Stube & Küche haben sowie 180 qm Pachtland für Gemüse & Kartoffeln. Meine Frau betreibt ausserdem noch in einem anderen Hause mit 2 Lehrmädchen ihre Schneiderei. Sie ist sehr abgearbeitet & hat 36 Pfd. verloren, wir wollen Ende dieses Monats für 14 Tage zur Erholung nach Mittenwald. Ich mußte mir vor 8 Tagen operativ eine Geschwulst aus der rechten Brust entfernen lassen & bedarf auch der Erholung. Hoffentlich ist der Befund gutartig. Mein Schwiegersohn kam im August aus der Gefangenschaft zurück. Sein Geschäft ist total ausgebombt & die Wohnung stark beschädigt. Er versucht jetzt, durch Vertretungen zu verdienen, da infolge der Zonensperre sein Geschäft nicht neu betrieben werden kann. Annemarie verdient z.Zt. durch Schreibmaschinenarbeiten die Kosten des Haushaltes und ist recht abgearbeitet. Vor 8 Wochen wurde ihr Söhnchen von 3 ½ Jahren von einem Militärauto überfahren & erlitt einen compl. zersplitterten Bruch des rechten Oberschenkels, der aber Gott Lob gut heilt & zwar bis jetzt ohne die gefürchtete Beinverkürzung. Frieda Stoß ist mit ihrer Tochter Erika zu ihrer verheirateten Tochter in Döbeln Heinr. Heinestr. 12 gezogen. Sie wiegt nur noch 83 Pfd. & Erika 72 Pfd. Er erlitt einen vollkommenen Zusammenbruch, Elsbeth Wohlfart und Anna (Reimers) mussten im Dezember 45 zwangsweise nach Hamburg zurück & hungern dort. Wo man hinsieht ist Kummer & Sorge. Wie ist es Euch ergangen? Bist Du wieder in Leipzig oder in Aue? Als z. Zt. vom beseitigten Regime Verfolgter könntest Du doch Deine Praxis wieder ungehindert aufnehmen? Ich würde mich sehr freuen, von Euch bald ausführlicher zu hören & Deine jetzige Anschrift zu erhalten. Mit den herzlichsten Grüssen von Haus zu Haus bleibe ich Dein getreuer Vetter & Frau Hede