Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
16. September 1946.
An
Rat der Stadt Leipzig
Kommunalabteilung Opfer des Faschismus
L e i p z i g C 1,
Humboldtstrasse 3.
Ihr Zeichen: Ha/Ei/7689
Nach Rückkehr von einer Reise erwidere ich auf Ihr Schreiben vom 7.9.1946.
Ihre Angestellte hatte mich angewiesen, vor Zimmer 10 zu warten, bis ich hereingerufen würde. Den Namen eines Sachbearbeiters hatte sie nicht genannt; ich wusste daher nicht, dass in dem Zimmer mehrere Herren tätig seien. Ich wartete dreiviertel Stunde auf dem Korridor. Während dieser Zeit wurden nacheinander zwei Herren hereingerufen, die schon vor mir anwesend waren. Dann aber wurden zwei andere hineingeleitet, die wesentlich später als ich gekommen waren. Deshalb ging ich ins Anmeldezimmer und machte die Angestellte, die mich abgefertigt hatte, in völlig ruhiger Weise darauf aufmerksam, dass ich doch an der Reihe gewesen sei, soeben aber zwei Herren vorgelassen worden seien, wie ich selbst gesehen hätte, erst nach mir gekommen seien.
Auf diesen völlig berechtigten Hinweis wurde ich von der Angestellten sofort angeschrieen; „Das ist nicht wahr!“ Ich erwiderte: „Wenn ich sage, was ich selbst gesehen habe, so ist es wahr.“ Die Angestellte liess sich durch diese in die mildeste Form gekleidete Zurückweisung ihrer ungehoerigen Aeusserung nicht belehren, sondern schrie mit wutverzerrtem Gesicht weiter auf mich ein, wenn sie etwas sage, so sei es wahr, sie lüge nicht, und dergleichen. Ich machte der widerlichen Szene ein Ende, indem ich das Anmeldezimmer und darauf das ganze Bureau verliess.
Es ist unwahr, dass ich geäussert hätte, die Angestellte lüge. Es befremdet mich, dass Sie mir eine solche Aeusserung in den Mund legen: Ein Mann meines Berufes bedient sich einer derartigen Ausdrucksweise selbst dann nicht, wenn er auf bewusste Unwahrheiten hinweisen will, wozu ich aber gar keine Veranlassung hatte.-
Der ganze Vorgang ist von einer mir seit vielen Jahren gut bekannten Dame an der offenen Tür des Anmeldezimmers beobachtet worden. Diese Zeugin hat mir ihre Entrüstung und ihr Bedauern über die Behandlung ausgesprochen, der ich seitens jener Angestellten ausgesetzt worden war.
(Drucker)