Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
New York, den 14. August 1946
Herrn Justizrat Dr. Martin Drucker
Brandvorwerkstraße 80
Leipzig S 3, Saxony, Germany
Soviet Zone
Lieber Herr Justizrat.
Ihr Brief vom 8. Juli hat meine Frau und mich tief erschuettert, und wir möchten Ihnen sagen, dass wir an Ihren schweren Schicksalsschlaegen, an Ihren Sorgen und allem, was Sie betrifft, innigsten Anteil nehmen.
Es geht ja über jedes menschliche Begreifen hinaus, welche Verwuestungen die wenigen Jahre der verbrecherischen Naziregierung veursacht haben. Man muss es noch als einen gluecklichen umstand ansehen, dass Sie voll beschaeftigt sind und so Ihre Gedanken auf Ihre berufliche Taetigkeit konzentrieren muessen, obwohl man Ihnen nach den vielen Jahrzehnten angestrengter Arbeit Jahre der Musse gewuenscht haette.Ich bewundere Sie im hoechsten Masse, dass Sie trotz der grausamen Schicksalsschlaege Ihre Spannkraft erhalten und Ihre juristische Arbeit in vollem Umfang forsetzen konnten.
Alles, was den Verlag (Akademische Verlagsanstalt – AVG) und Fock (Sortiments- und Anitquariatsbuchhandlung Gustav Fock) angeht, interessiert uns natuerlich in besonderem Masse, und es sollte das Ziel sein, wenn gesetzlich durchfuehrbar, das gestohlene Gut an die Eigentuemer wieder zurueckzuleiten.
Aus der Bilanz per Ende 1939, die ich seinerzeit aus den Akten des Amtsgerichts kopierne konnte, geht ja eindeutig hervor, dass der Verlag praktisch entschädigungslos von (Willy) Erler, (Walther) Becker und Konsorten uebernommen worden ist. Wie ich soeben hoere, existiert ein Gesetz in Thueringen, vom November 1945, nachdem frueherer juedische Besitz wieder zurueckgegeben werden muss, falls Anmeldungen bis Ende September erfolgen. Gibt es in Sachsen ein aehnliches Gesetz, bezw. wie ist die augenblickliche gesetzliche Situation hinsichtlich frueheren juedischen Eigentums?
Was uns sehr interessieren würde zu wissen wäre:
welche Zeitschriften-Bestaende bei der Akademischen vorhanden sind;
welche Werke in Vorbereitung sind, weil wir u. U. an Übersetzungen z. B. der Buecher von Prof. (Max) v. Laue denken koennten, und was an Werten bei Fock geblieben ist.
Hat der Verlag inzwischen eine Lizenz erhalten?
Wieviel Angestellte sind noch vorhanden?
Einer der Autoren des Verlages schrieb mir kuerzlich, dass Portig den Verlag leitet. Wo ist Erler und wo ist Becker? Ist es zutreffend, dass Becker eine Stelle an der Universität Jena hat? Was ist aus Lindhardt geworden?
Entschuldigen Sie, lieber Herr Justizrat, die vielen Fragen; Sei werden jedoch unsere Neugierde verstehen.
Wenn in Sachsen aehnliche Gesetze herauskommen wie in dem benachbarten Thueringen, so koennte man daran denken, meinen Anteil an dem Grundstück Fockestraße 8c, in dem ich früher wohnte und das, soweit ich hoerte, unzerstoert geblieben ist, zurueckzuverlangen. Mit dem Anteil ist der Besitz einer Wohnung verknuepft, und ich wuerde gern alle Rechte an Sie uebertragen, sodass Sie vielleicht in der Lage waeren, unsere fruehere Wohnung selbst zu uebernehmen.
Alle Mitglieder unserer Familie lassen Sie herzlichst gruessen, vor allem meine Schwiegermutter (Martha Jolowicz), die wohl noch selbst einige Zeilen an Sie schreiben wird.
Mit vielen herzlichen Grüssen Ihr Kurt Jacoby