dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Abschrift

Dr. Paul Herr
Rechtsanwalt am Oberlandesgericht Hamm/Westf.
Hamm, 11.10.46
Brückenstr. 6

B e s c h e i n i g u n g

Aufgrund meiner langjährigen genauen Kenntnis des Rechtsanwalts Dr. Paul Langerhans aus Leipzig wird hierdurch Nachstehendes bescheinigt und erklärt.
Dr. Paul Langerhans ist mir als guter Jurist von besonders selbstlosen u. vornehmen Charakter bekannt.
Wenn er im Jahre 1933 der Partei beitrat, so geschah dies nach meiner Kenntnis deshalb, dass damals die Partei für Beseitigung der grossen herrschenden Arbeitslosigkeit eintrat, dass sie nach ihren damaligen ständigen Erklärungen für den Frieden und gegen den Krieg eintrat und dass auf ihrem Programm das Eintreten für das positive Christentum stand.
Als die Partei später von diesen Standpunkten abging, hat er ihr sehr kritisch gegenüber gestanden, wie er dies vielfach zum Ausdruck gebracht hat.
Er ist der Sohn einer angesehenen Arztfamilie, welche auf dem Boden der freisinnigen (jetzt demokratischen) Partei stand und welche auch vielfach engen persönlichen Verkehrs mit jüdischen Familien in Leipzig hatte.
Seine Kritik richtete sich vor Allem gegen alle Gewaltmassnahmen und vor allem auch gegen das Vorgehen gegen das Judentum, wie es später von der Partei in die Wege geleitet wurde.
Auch wurde wirtschaftlich ein starker Druck auf ihn zum Beitritt in die Partei ausgeübt, sodass seine Stellung als Anwalt hierdurch schwer gefährdet wurde.
Wenn er trotzdem den Entschluss zum Austritt aus der Partei nicht verwirklichte, so ist ja bekannt, dass ein Austritt ohne Gefahr für seine berufliche Existenz sowie für Leib u. Leben nicht möglich war, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass er im Jahre 1937 und auch späterhin lange Zeit von schwerer Krankheit befallen und ans Bett gefesselt wurde.
In Leipzig wurden damals die Lebensmittelkarten durch die Partei verteilt und kann man deshalb schwer ihm einen Vorwurf daraus machen, dass er sich hieran und an der gelegentlichen Einziehung von Parteibeiträgen beteiligt hat, welche damit verbunden war.
Er hat seine Trauung kirchlich vornehmen lassen und auch seine Kinder kirchlich taufen lassen, wie dieselben auch in christlicher Gesinnung erzogen werden.
Ich bemerke noch, dass ich selbst niemals der Partei angehört habe, obwohl ich vielfach hierzu gedrängt wurde und durch meine Weigerung zum Beitritt in meinem Beruf und in meinem Einkommen sehr grossen Schadn erlitten habe.
Aufgrund meiner Ablehnung der Partei wollte die Militärbesatzung während meines vorübergehenden Aufenthaltes in Nürnberg mich sogar zum Richter daselbst ernennen, was ich meinerseits dankend ablehnte, da ich meinen freien Beruf als Anwalt treu bleiben wollte, in welchem ich seit 1906 am Oberlandesgericht Hamm zugelassen und auch von der britischen Militärregierung bestätigt worden bin.

(gez.) Dr. Paul Herr
Rechtsanwalt