G. H. Landsberg
Hollies School
Little Sutton Rd.
Sutton Coldfield B’ham
Ostersonntag 1946

Liebster Freund,
was für ein Augenblick! Und doch war nie das Wort von der uns nicht vergönnten ungemischten Freude wahrer als jetzt. Ich habe immer noch mit Schreiben gezögert, weil ich Deine Adresse nicht wusste, riskiere es nun aber mit der hoffentlich richtigen beruflichen. Was ich über Dich erfahren habe, sind unzureichende Einzelheiten, & ich hoffe, Du erzählst mir bald genaues. Zunächst bin ich glücklich, Dich am Leben und bei der Arbeit zu wissen. Darüber hinaus?
Von meiner Familie brauche ich Dir kaum zu berichten. Du wrist wissen, dass Mutter vor 2 Jahren von Theres(ienstadt). nach Birkenau geschickt worden & seither verschollen ist. Ich habe nie herausgefunden, was „darüber hinwegkommen“ eigentlich bedeutet. Abver ich weiß, dass der Schmerz über Ulle (Ulrich Bergmann) reiner war: dieser ist vergiftet & darum heilt die Wunde nicht. Ich fürchte, Du hast ähnliches erlebt.
Ganz groß steht auf meiner Credit-Seite das Wunder von Dieter Ankunft (vor 1 1/2 Jahren) in diesem Lande. Seit dem Herbst darf ich ihn besuchen, was etwa alle 5 Wochen geschieht und wir sind unsagbar glücklich über diese Fügung. Er ist in einem Medizinerlager mit angeschloss. Lazarett. Das Studium wird ihm von dtsch. Universitäten angerechnet werden. Wie lange er hierbleiben kann, wissen wir nicht. Überhaupt ist die Zukunft ziemlich im Nebel, abgesehen von Lolls & meinem unumstößlichen Wunsch, uns bei erster Gelegenheit in Australien wiederzuvereinen. Wann?? Im Augenblick sind Verwandte dran. Aber wenn man in diesen fast 7 Jahren etwas gelernt hat, so ist es Geduld.
Ich habe auch sonst viel gelernt, in jeder Beziehung, & habe übverhuapt persönlich nur Gutes zu berichten. Mein altes Glück mit Menschen und Beruf ist mir treu geblieben. Dieses Land ist wundervoll, & ich werde es mit Kummer verlassen. Das war nicht geplant! Es sollte nur eine Durchgangsstation sein. Ich habe wirkliche Freunde gefunden, allen voran meine großartige Head Mistress. In der Schule bin ich nun fast vier Jahre, unterrichte Sprachen (auch ein bischen Englisch!) & Musik, stehe genauso warm mit den Kindern wie in Berlin.
Im Herbst 41 erwarb ich das Cambridge Teachers Diploma, auf das ich albern stolz bin. Ich mache auch in der Adult School Union mit (Musikvorträge, kleines Chörchen) & habe Nachhilfeschüler, was meinem Französisch äußerst nützlich ist.
Wohnung – seit 2 Jahren – ganz nah der Schule, ganz ländlich mit Feldern hinterm Garten, sehr gemütlich und behaglich. Ich gönne mir die 2 Zimmer kaum, ebensowenig wie das gute Essen, wenn man nur schicken könnte. – Konrad tauchte letzten Herbst in Holland vom Schlunde auf & schreibt zufriedener als je alsa Zeitungsredaktör. Meine Korrespondenz ist beängstigend groß, wie Du Dir vorstellen kannst.
Drum heute nur mal erst diesen Versuchsballon. Ich werde sehnlich auf Dein Echo warten & umarme Dich in alter (25 Jhr.?) Freundschaft.
Dein Gertraudchen.