Borna, 4.X.46

Mein geliebter Fempe!

Mit einem Herzen voll der besten Wünsche erscheine nun auch im im Kreise Geburtstagsgratulanten. Und wenn ich Dir auch nicht ganz nahe sein kann an dem festlichen Tage, so hat sich doch unsere räumliche Entfernung seit dem vorigen Jahre erheblich verringert. Das ist vielleicht – für uns alle hier in Borna – das Schönste außer dem eigenen Heim, was uns Dein vergangenes Lebensjahr gebracht hat. Wenn ich Dich und Deine Lieben so in meiner Nähe weiß und mir immer vorstelle, wie oft ich Euch sehen und sprechen kann, so empfinde ich das als ein großes Geschenk nach all dem Gräßlichen der letzten Jahre. Ich muß da oft denken: „und neues Leben blüht aus den Ruinen.“ So sind auch meine Wünsche für Dich, mein lieber, guter Fempe, diesmal mit dem Quadrate der Annäherung und nicht der Entfernung gewachsen: Mögest Du uns allen gesund erhalten bleiben und mögest Du uns lieb behalten so wie wir Dich heiß lieben!
Das gilt besonders auch von Erika, die ganz begeistert von Dir ist und jeden Deiner Aussprüche aufgesogen hat. Es ist mir so ein ganz besonders lieber Gedanke, daß Du Dich ihrer für ihre Zukunftspläne so rührend und tatkräftig angenommen hast. Ich habe alles so vertrauensvoll in Deine Hände gelegt und bin nun gespannt, was daraus werden wird. Ich kann es mir kaum vorstellen, daß Erika in nicht allzu ferner Zeit schon eine Studentin sein soll, wie hätte das auch unsern guten Vater gefreut und interessiert! Habt nur alle nochmal von Herzen Dank für alle Liebe, die Ihr dem „Rikchen“ erwiesen habt. Sie konnte gar nicht genug erzählen, wie gut jeder einzelne von Euch zu ihr gewesen war.
Wir werden morgen einmal nach Zwickau fahren, wo wir von meiner Freundin Mieze Ackermann-Schmorl ein Federbett „gepumpt“ bekommen sollen, damit wenigstens eins von uns vieren seine Blöße etwas besser bedecken kann als bisher.
Verlebe einen recht schönen Geburtstagssonntag!
Laß Dich in Liebe und Dankbarkeit umarmen
von Deiner „alternden“ Gucki