Martin Drucker – Das Ideal eines Rechtsanwalts
Martin Drucker – das Ideal eines Rechtsanwalts,
Herausgeber: Ephraim Carlebach Stiftung Leipzig, 1997
Vorwort
Der 50. Todestag Martin Druckers im Februar diesen Jahres, war ein würdiger Anlass, an diesen mutigen Leipziger Juristen zu erinnern.1
Die Ephraim Carlebach Stiftung fühlt sich mit dem namhaftesten Leipziger Rechtsanwalt in ganz besonderer Weise verbunden.
Auch wenn Martin Drucker – wie bereits sein Vater – nicht mehr der jüdischen Gemeinde angehörte, fühlte er sich lebenslang mit den jüdischen Bürgern dieser Stadt privat und beruflich eng verbunden.
Martin Drucker gehört zu den wenigen mutigen Söhnen der Stadt Leipzig, die über Jahrzehnte aus unterschiedlichsten Gründen aus der Stadtgeschichte verdrängt und folglich heute zu Unrecht weitestgehend in Vergessenheit geraten sind.
Seinem couragierten Widerstand und seinem uneigennützigen Engagement für Verfolgte und Bedrängte ist es zu verdanken, dass die Stadt Leipzig in der deutschen Rechtsgeschichte zwischen 1933 und 1945 nicht nur mit fanatisiertem Rassenwahn und menschenverachtender Naziideologie in Verbindung gebracht werden muss.
Der Name Martin Druckers kann deshalb vollkommen zu Recht in einem Atemzug mit den Leipziger Widerstandskämpfern Carl Goerdeler (1884–1945) und Walter Cramer (1886–1944) genannt werden.
Ich möchte an dieser Stelle all denjenigen danken, ohne die diese Publikation nicht zustande gekommen wäre.
Das ist zum einen natürlich Renate Drucker, die mir mit viel Geduld immer wieder meine Fragen über den Lebensweg ihres Vaters, ihre ganz persönlichen Erinnerungen und das Schicksal ihrer gesamten Familie beantwortete.
Darüber hinaus ist an dieser Stelle Manfred Unger zu danken, welcher durch seine fundierten und ausgezeichnet recherchierten Beiträge über Martin Drucker den wesentlichsten Grundstein für diesen Beitrag gelegt hat.2
Besonderen Wert erhält die vorliegende Publikation durch die erstmalige Veröffentlichung von Dokumenten aus drei entscheidenden Lebensabschnitten des Leipziger Rechtsanwalts, die aus dem Privatarchiv von Renate Drucker zur Verfügung gestellt wurden. Zum einen wird ein eindrucksvoller Briefwechsel aus dem Jahr 1928 zwischen Drucker und seinem Berliner Kollegen Justizrat Albert Pinner3 publiziert, der die beabsichtigte Verlegung des Sitzes des DAV von Leipzig nach Berlin betrifft und das Engagement Martin Druckers als Präsident des Deutschen Anwaltvereins von 1924 bis 1932 beispielhaft widerspiegelt.
Aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wird ein besonders brisantes Dokument erstmalig der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Das Urteil der Sächsischen Anwaltskammer vom 26. Januar 1935, mit welchem der frühere Präsident des DAV aus der Anwaltschaft ausgeschlossen werden sollte.
Auch wenn sich der Ehrengerichtshof bei der Reichsanwaltskammer später gezwungen sah, dieses Urteil im Berufungsverfahren wieder aufzuheben, ist es ein noch heute erschreckendes Dokument der von ungezügeltem Rassenhass beherrschten Sprache nationalsozialistischer Juristen, wie sie Victor Klemperer in LTI so eindrucksvoll bloßgestellt hat.
Ein lediglich als Manuskript vorliegendes Referat „Der Anwalt in der neuen Zeit“, welches Martin Drucker kurz nach dem totalen Zusammenbruch des Hitlerregimes vor sächsischen Kollegen gehalten hat, muss als sein Vermächtnis betrachtet werden.
Diese letzte überlieferte Rede belegt sehr eindrucksvoll, dass der damals bereits über 75jährige Leipziger Rechtsanwalt unmittelbar nach Kriegsende seine ganze ihm verbliebene Kraft für den Aufbau einer demokratisch legitimierten und wahrhaft erneuerten Anwaltschaft eingesetzt hat.
Unter diesem Aspekt kann es eigentlich nur als Segen verstanden werden, dass Martin Drucker die Entwicklung nach 1947 nicht mehr erleben musste.
Leipzig, im Oktober 1997
Hubert Lang
1 Leipziger Volkszeitung vom 22. Februar 1997
2 Vergleiche hierzu insbesondere: Martin Drucker Anwalt des Rechts; in: Anwaltsblatt 1/90 S. 3 ff. und Leipziger Anwalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Präsident des Deutschen Anwaltvereins: Martin Drucker, in: Sächsische Heimatblätter 3/96, S. 173 ff.
3Der jüdische Rechtsanwalt Albert Pinner war Vorstandsvorsitzender des Berliner Anwaltsvereins. Er starb 75jährig kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten.