dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

den 17. Sept. 1929

Persönlich!

Herrn
Kammerpräsidenten Dr. Tigges
Berlin

Hochverehrter Herr Präsident!

Erstaunlicherweise ist es eine Toilettenfrage, die mich veranlasst und ermutigt, diesen Brief an Sie zu richten.
Für die am 1. Oktober mittags vorgesehene Jubiläumsfeier des Reichsgerichts ist dunkler Anzug vorgeschrieben. Wie ich indessen aus Kollegenkreisen hörte, werden die Mitglieder des Reichsgerichts, der Reichsanwaltschaft und der Rechtsanwaltschaft beim Reichsgerichte in ihrer Amtskleidung erscheinen. Das Bekanntwerden dieser Absicht hat zu der Anregung geführt, dass auch die als Gäste geladenen Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte die Robe tragen sollen. Als zufällig vor einigen Tagen in einem Gespräch, dass ich mit Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Kiesselbach in Hamburg über die Reichsgerichtsfeier hatte, die Kleidungsfrage berührt wurde, sprach sich Herr Dr. Kiesselbach auch lebhaft für die Robe aus. Ich bemerkte, dass auch ich geneigt sei meinen (bekanntlich sehr farbenprächtigen) sächsischen Talar zu tragen, dass aber doch eine Verständigung, wenigstens mit einer grösseren Anzahl der in gleicher Lage befindlichen Gäste herbeigeführt werden müsse und bat Herrn Dr. Kiesselbach, sich deshalb doch mit den anderen Herren Oberlandesgerichtspräsidenten in Verbindung zu setzen. Dazu wollte er sich nicht verstehen, weil er der jüngst ernannte Chefpräsident sei; er begegnete sich aber mit mir in der Meinung, dass in allererste Reihe Sie, sehr geehrter Herr Präsident, berufen seien, die Anregung, falls Sie ihr beipflichten, an die Herren Präsidenten weiterzugeben.
Ich habe Herrn Präsidenten Dr. Kiesselbach zugesagt, dass ich Ihnen die Angelegenheit unterbreiten würde, Zu besonderem Danke wäre ich Ihnen verpflichtet, wenn Sie mich Ihre Meinung sowie die Stellungnahme der etwa von Ihnen angegangenen Herren recht bald wissen liessen, damit ich in dem gleichen Sinne mich an die nicht beim Reichsgericht zugelassenen, aber als Gäste eingeladenen Rechtsanwälte wenden kann.
In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener

(Drucker)
Präsident des Deutschen Anwaltvereins.