dr. jur. Hubert Lang

Martin Drucker – Das Ideal eines Rechtsanwalts Vorwort

Vorwort (Überarbeitete Fassung)

V o r w o r t

Der 50. Todestag Martin Druc­kers im Februar diesen Jahres, war  ein würdiger Anlaß, an diesen mu­tigen Leipziger Juristen zu er­innern [1].
Die Ephraim Carlebach Stiftung fühlt sich mit dem namhaftesten Leipziger Rechtsanwalt in ganz besonderer Weise verbunden.
Auch wenn Martin Drucker – wie bereits sein Vater – nicht mehr der jüdischen Gemeinde angehörte,  war er zeitlebens stolz auf seine jüdische Herkunft. Juden gehörten ganz selbstverständlich zu seinem großen Freundes- und Mandantenkreis.
Martin Drucker gehört zu den wenigen mutigen Söhnen der Stadt Leip­zig, die über Jahrzehnte aus unterschiedlichsten Gründen aus der Stadtgeschichte verdrängt und folglich heute zu Unrecht weitestge­hend in Vergessenheit geraten sind.
Seinem couragierten Widerstand und seinem uneigennützigen Enga­ge­ment für Verfolgte und Bedrängte ist es zu verdanken, daß die Stadt Leipzig in der deutschen Rechtsgeschichte zwischen 1933 und 1945 nicht nur mit fanati­sierten Rassenwahn und menschen­verachtender Na­ziideologie in Verbindung gebracht werden muß.
Der Name Martin Druc­kers kann deshalb vollkommen zu Recht in einem Atemzug mit den Leipziger Widerstands­kämpfern Carl Goer­de­ler (1884-1945) und Walter Cramer (1886-1944) genannt werden.
Ich möchte an dieser Stelle all denjenigen danken, ohne die diese Publikation nicht zustande gekommen wäre.
Das ist zum einen na­türlich Renate Drucker, welche mir mit viel Ge­duld immer wie­der meine Fragen über den Lebensweg ihres Va­ters, ihre ganz persönlichen Erinnerungen und das Schicksal ih­rer gesam­ten Fa­milie beantwortete.
Darüber hinaus ist an dieser Stelle Manfred Un­ger zu danken, wel­cher durch seine fundierten und ausgezeichne­t recherchierten Bei­träge über Martin Drucker den wesentlichsten Grundstein für diesen Beitrag gelegt hat[2].
Besonderen Wert erhält die vorliegende Publikation durch die erst­malige Veröffentlichung von Dokumenten aus drei entschei­denden Le­bensabschnitten des Leipziger Rechtsanwalts, welche aus dem Privat­archiv von Renate Drucker zur Verfügung gestellt wurden. Zum einen wird ein eindrucksvoller Briefwechsel aus dem Jahr 1928 zwi­schen Drucker und seinem Berliner Kollegen Justizrat Albert Pinner (1857-1933) [3] publi­ziert, wel­cher die beabsichtigte Verlegung des Sitzes des DAV von Leipzig nach Berlin betrifft und das En­gagement Martin Druckers als Präsident des Deutschen Anwaltver­eins von 1924 bis 1932 beispielhaft widerspiegelt.
Aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wird ein beson­ders brisantes Dokument erstmalig der breiten Öffent­lich­keit zu­gänglich gemacht: Das Urteil der Sächsischen An­waltskam­mer vom 26. Januar 1935, mit welchem der frühere Präsi­dent des DAV aus der An­waltschaft ausgeschlossen werden sollte.
Auch wenn sich der Ehrengerichtshof bei der Reichsanwaltskammer später gezwungen sah, dieses Urteil im Berufungsverfahren wie­der aufzuheben, ist es ein noch heute erschreckendes Dokument der von ungezügeltem Rassenhaß beherrschten Sprache nationalso­zialistischer Juri­sten, wie sie Victor Klemperer in LTI so ein­drucksvoll bloßge­stellt hat.
Ein lediglich als Manuskript vorliegendes Referat „Der Anwalt in der neuen Zeit“, welches Martin Drucker kurz nach dem tota­len Zu­sammenbruch des Hitlerregimes vor sächsischen Kollegen gehalten hat, muß als sein Vermächtnis betrachtet werden.
Diese letzte überlieferte Rede belegt sehr eindrucksvoll, daß der damals bereits über 75jährige Leipziger Rechtsanwalt unmit­telbar nach Kriegsende seine ganze ihm verbliebene Kraft für den Aufbau einer demokra­tisch legitimierten und wahrhaft erneu­erten Anwalt­schaft eingesetzt hat.
Unter diesem Aspekt kann es eigentlich nur als Segen verstanden werden, daß Martin Drucker die Entwicklung nach 1947 nicht mehr er­leben mußte.

Leipzig, im Oktober 1997
Hubert Lang

[1]Leipziger Volkszeitung vom 22. Februar 1997
[2]Vergleiche hierzu insbesondere: Martin Drucker Anwalt des Rechts; in: Anwaltsblatt 1/90 S. 3 ff. und: Leipziger Anwalt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und Präsident  des Deutschen Anwaltvereins: Martin Drucker, in: Sächsische Heimatblätter 3/96, S. 173 ff.
[3]Der jüdische Rechtsanwalt Albert Pinner war Vorstandsvorsitzender des Berliner Anwaltsvereins. Er starb kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

Vorwort zur überarbeiteten Fassung

Das hier in einer grundlegend überarbeiteten Fassung vorgestellte Buch erschien 1997 anläßlich des 80. Geburtstages von Renate Drucker. Es fand viel Beachtung und war deshalb sehr schnell vergriffen. Eine analoge Neuauflage erschien aber trotzdem nicht sinnvoll.

Deshalb habe ich mich für die Präsentation der Überarbeitung auf meiner Homepage entschieden. Die Überarbeitung war geboten, weil das Buch leider zahlreiche Fehler unterschiedlicher Art aufwies. Sprachliche Ungereimtheiten sollten zur besseren Lesbarkeit ebenfalls so gut wie möglich beseitigt werden. Doch vor allem hat sich der Forschungsstand seit 1997 erheblich erweitert. Dieser sollte deshalb unbedingt eingearbeitet werden. Im Jahr 1997 stand mir nur das Manuskript der Lebenserinnerungen von Martin Drucker jun. zur Verfügung. Diese sind zehn Jahr später anläßlich des 90. Geburtstages von Renate Drucker von mir herausgeben worden. So konnten die Verweise jetzt entsprechend präzisiert werden, so dass sie der interessierte Leser nachlesen kann.

Darüber hinaus werden die Anlagen durch Briefe aus dem Nachlass Martin Druckers erweitert, welche aus der Nachkriegszeit und somit den letzten Lebensjahren Druckers stammen. Der Nachlass wurde inzwischen an das Sächsische Staatsarchiv Leipzig abgegeben, wo u. a. auch diese Briefe einsehbar sind.

Leipzig, im Januar 2022
Hubert Lang