Leipziger Juristische Vorträge
Vorwort zu:
Peter Landau, Die deutschen Juristen und der nationalsozialistische Juristentag 1933
Die Bemühungen der Ephraim Carlebach Stiftung Leipzig richten sich seit ihrer Gründung darauf die historischen Vorgänge der Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung unserer Stadt in immer stärkeren Maße insbesondere für die Nachgeborenen deutlich zu machen.
Hierbei rückt auch immer wieder schmerzlich ins Bewußtsein, welche tragische Vorreiter-Rolle Leipzig im „Tausendjährigen-Reich“ auf vielen Gebieten spielte.
Wenn sich die Stadt Leipzig im vereinten Deutschland aktiv darum bemüht, seine wahre historische Bedeutung als Stadt des Rechts im positiven Wortsinn wieder zu erlangen, kann das nur gelingen, wenn das öffentliche Bewußtsein auch auf die dunklen Aspekte dieser Geschichte gelenkt wird.
Der Juristentag im Jahr 1933 gehört unzweifelhaft hierzu. Er ist nach unserer Auffassung bislang nur unzureichend in die weitere historische Entwicklung bis zum Erlaß der berüchtigten „Nürnberger Gesetze“ und darüber hinaus eingeordnet.
So vertrat beispielsweise ein Kölner Kollege sogar noch im April diesen Jahres öffentlich den Standpunkt, daß dieser propagandistische Großaufmarsch in Leipzig unter dem Leitthema „Recht und Rasse“ keinerlei direkte oder indirekte Auswirkungen auf die Rechtsprechung gehabt haben könne.
An diesem Juristentag habe nach seiner Auffassung damals – genauso wie heute – nur ein relativ geringer Teil der tätigen Juristen teilgenommen und es habe auch unter den Adressaten einer solchen Veranstaltung Richter, Rechtsanwälte und Staatsanwälte gegeben, die im Rahmen des Möglichen ihrer Verantwortung gerecht zu werden versuchten.
Dieser Kölner Kollege würde wohl auch die folgende Verfügung des Preußischen Reichskommisars für Justiz vom 20.09.1933 nicht kritisch bewertet haben:
„Zur Teilnahme am Juristentag berechtigt sind alle Mitglieder des BNSDJ und der ihm beigetretenen Vereinigungen, sowie alle sonstigen mit dem Recht befaßten oder am Juristentag interessierten Personen, mit Ausnahme von Juden.“[1]
Der Vorstand der Ephraim Carlebach Stiftung war Herrn Prof. Dr. Peter Landau außerordentlich dankbar, daß er unserer Einladung ohne zögern folgte und im historischen Reichsgericht den hier nun Dank des Engagements der Juristenfakultät der Universität Leipzig auch publizierten Vortrag hielt.
Damit ist natürlich insbesondere die Hoffnung verbunden, daß diese Publikation ein breites Interesse gerade unter Juristen aller Fachrichtungen findet, um künftig oben beschriebene Auslassungen zu dieser Thematik sachlich fundiert richtig stellen zu können.
Das Engagement der Ephraim Carlebach Stiftung den besonders perfiden Deckmantel des Rechts zur Legitimation der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen zu lüften, wurde 1993 mit diesem Vortrag vor zahlreich erschienenen interessierten Leipzigern erfolgreich begonnen.
Im folgenden Jahr wurden diese Bemühungen durch einen Vortrag zum Schicksal der Leipziger jüdischen Juristen durch den Verfasser dieses Vorwortes fortgesetzt.
Im vergangen Jahr hielt wiederum am historischen Reichsgericht vor einem sehr zahlreich erschienen aufmerksamen Publikum Herr Prof. Dr. Jörg Berkemann ein Referat zur Entstehung, Ausführung und Folgen der vor 50 Jahren erlassenen Nürnberger Gesetzen.
Es bleibt zu hoffen, daß auch diese Vorträge bald in gedruckter Form einer breiteren interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.
Leipzig, August 1996
Hubert Lang
Rechtsanwalt
[1]Zitiert nach: J. Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, 2. Auflage, Heidelberg 1996