Leopold Waldheim
Verlegung von Stolpersteinen für Justizrat Dr. Leopold Waldheim (19.09.1864 Sternberg/Mecklenburg - 06.12.1942 Theresienstadt) und dessen Ehefrau Margarete Ottilie geborene Michael (26.05.1873 Leipzig – 20.05.1943 Theresienstadt)
Wir gedenken hier an dieser Stelle des Rechtsanwalts und Notars Leopold Waldheim und seiner Ehefrau Margarethe Ottilie geborene Michael.
Leopold Waldheim, in seiner Familie nur liebevoll Pölling – einer Koseform für Leopold – genannt, wurde am 19.09.1864 in dem mecklenburgischen Städtchen Sternburg geboren.
Seine 1873 in Leipzig geborene Frau Margarethe war die ein Jahr ältere Schwester von Antonie Michael. Sie war lange und ohne Kenntnis ihrer Eltern mit Leopold Waldheim verlobt. Ihr Bruder Paul berichtet in seinen Erinnerungen, dass einmal als die beiden im Park spazieren gingen, plötzlich ein Mann auf sie zutrat und sagte: Freilein, sähn se sich vor, se wär’n sich noch ene Verlobichung zuziehn!“
Die Waldheims hatten keine eigenen Kinder. Es war deshalb für sie ein großes Glück, als sie nach dem I. Weltkrieg die verwaiste Tochter eines befreundeten Ehepaares wie ein eigenes Kind in ihre Familie aufnahmen. Sie erfuhren hierfür jedoch nach 1933 keine Dankbarkeit, denn dieses Pflegekind wurde dann in Stettin ein eifriges Mitglied der NS-Frauenschaft. Sie brach kategorisch jede Verbindung mit ihren Pflegeeltern ab. Besonders für Margarete Waldheim, die dieses Kind wie ihr eigenes geliebt hatte, war das eine bittere Enttäuschung.
Paul Michael beschreibt in seinen Erinnerungen die Eheleute Waldheim als Menschen von merkwürdiger harmonischer Prägung. Ihre hervorstechenden Eigenschaften waren Güte und Sinn für Humor. Mit Heiterkeit suchte Grete das unerbittliche Schicksal ihres Mannes, welcher der vollständigen Erblindung infolge Netzhautablösung entgegen ging, aufzuhellen. Ihre größte Genugtuung war es, anderen Menschen Freude zu bereiten und dafür besaß sie eine außergewöhnliche Begabung. Im Jahr 1917 entwarf die Künstlerin Lilli John für die Bibliothek des Ehepaars Waldheim ein Exlibris.
Als Rechtsanwalt und seit 1916 auch als Notar beschränkte sich Leopold Waldheim seiner liberalen Einstellung folgend keinesfalls auf Mitarbeiter und Mandanten seines eigenen Glaubens.
Einige Jahre war er mit dem jüdischen Kollegen Hans Bachwitz (1882-1927) assoziiert gewesen, welcher in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der meistgespielte Bühnenautor Deutschlands war und später Syndikus an der Spielstätte wurde, die heute wieder Centraltheater heißt.
Nach dessen frühem Tod nahm Waldheim, welcher auf Grund seiner fortschreitenden Erblindung auf kollegiale Unterstützung angewiesen war, einen jungen begabten christlichen Kollegen in seiner Kanzlei auf. Zu dieser Zeit befanden sich seine Büroräume in der Gottschedstraße 27.
Dieser Rechtsanwalt namens Rudolf Dalitz (1884-1931), war jedoch auch der Vorsitzende des Leipziger Stahlhelms und Mitglied der schwarzen Reichswehr. Er gehörte also zu den führenden Nationalsozialisten Leipzigs. Da Dalitz darüber hinaus aber auch Trinker und spielsüchtig war, bestritt er seinen Lebensunterhalt aus der Bürokasse. Leopold Waldheim erfuhr hiervon erst, als sein Sozius 1931 Selbstmord begangen hatte. Über seinen Nachlass wurde der Konkurs eröffnet. Dalitz hatte Leopold Waldheim insgesamt um 30.000,00 RM betrogen. Das hinderte den Stahlhelm und andere paramilitärische Verbände nicht, dem Betrüger eine eindrucksvolle Bestattung mit etwa 2.000 Teilnehmern zu bereiten.
Wie seine Glaubensgenossen verlor Justizrat Waldheim nach 1933 zunächst das Notariat. Schließlich musste er auch seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufgeben.
Das Haus Lortzingstraße 14, welches den Geschwistern Michael gehörte, musste veräußert werden und die Eheleute Waldheim wurden gezwungen, in das Judenhaus Humboldtstraße 15 umzuziehen.
Paul Michael, welcher das Schicksal der Waldheims teilte, schreibt in seinen Erinnerungen über die letzte Lebensstation:
Als wir d.h. das Ehepaar Waldheim und ich am 19. September 1942 also an Pöllings Geburtstag nach Theresienstadt abtransportiert waren und Pölling dort in einem Blindenheim untergebracht werden sollte, erwirkte Grete durch Beharrlichkeit die Erlaubnis, bei ihm bleiben zu dürfen. Hätte sie es doch nicht getan! Denn im Dezember desselben Jahres starb Pölling im 78. Lebensjahr an der im Lager endemisch herrschenden Enteritis und nun hatte das Schicksal das Grausamste für Grete aufgespart: Infolge des Massensterbens blieb die Leiche ihres geliebten Mannes noch 3 Tage neben ihrer Lagerstatt liegen. Im Mai darauf starb sie selbst an Stomatitis, Mundfäule, durch die ihre Zunge so anschwoll, dass sie den ganzen Gaumen ausfüllte und ihren Tod äußerst qualvoll machte.