Verleihung der Goldenen Robe an Hubert Lang
Laudatio für Hubert Lang von Rechtsanwalt Dr. Tillmann Krach, Mainz, Vorsitzender des Forums Anwaltsgeschichte e.V.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Hubert,
im Einladungsflyer für diese Veranstaltung heißt es, du werdest heute für dein „gesellschaftliches und soziales Engagement“ geehrt. Der Internetauftritt des Leipziger Anwaltvereins nennt die Goldene Robe einen Ehrenpreis für „außerordentliches soziales, wissenschaftliches oder sonstiges Engagement“, welches in einem Zusammenhang mit Leipzig stehen soll.
Egal, du erfüllst ohnehin alle Kriterien. Ein guter Rechtsanwalt (und natürlich meine ich immer auch die Rechtsanwältin) ist notwendigerweise sozial engagiert. Er hilft Menschen, die in einem Konflikt mit anderen Menschen – oder gar mit der Staatsmacht – ihre Interessen nicht alleine wahren können. Wenn das nicht sozial ist!
Vom „sonstigen“ Engagement ganz zu schweigen!
Fehlt noch das „gesellschaftliche“ und das „wissenschaftliche“. Das ist für einen Anwalt leider alles andere als selbstverständlich. Praktischerweise hat Hubert Lang auch und gerade in dem Bereich, der uns verbindet, etwas geleistet, was gleichermaßen wichtig war (und ist) für die Gesellschaft und für die Wissenschaft: Er hat sich mit historischen Vorgängen und Ereignissen befasst, vor allem aber mit den davon Betroffenen: Menschen, die lange für den Schutz durch das Recht gekämpft hatten, der Ihnen dann doch nur wenige Jahre zuteil wurde, bevor sie (und mit ihnen alle, die sich schon viele Generationen gar nicht mehr als Schutzbedürftige empfunden hatten) ihn so restlos verloren haben wie es zuvor – jedenfalls auf die hier im damaligen Deutschen Reich praktizierte Art und Weise – noch nie auf der Welt geschehen war.
Das Wort „Recht“ ist also zentral, und schon deswegen steht es Juristen gut an, sich mit der Entrechtung der jüdischen Bevölkerung zu befassen – umso mehr, als zu ihr so viele Juristen, besser und richtiger: Rechtsanwälte! gehört haben.
Kennengelernt habe ich Hubert Lang 1998 bei einem Colloquium des Simon-Dubnow-Instituts zum Thema „Jüdische Rechtsanwälte und bürgerliche Gesellschaft“. Ich meine mich zu erinnern, dass Herr Professor Siegrist die anwesenden Juristen seinerzeit recht kritisch beäugt hat.
Und im selben Jahr gab es auch ein sehr gut besuchtes Treffen des schon fünf Jahre zuvor ins Leben gerufenen „Arbeitskreises historisch interessierter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte“, auf dem Hubert Lang laut Protokoll über den Stand der rechtsgeschichtlichen Forschung in seiner Heimatstadt und das Forschungsvorhaben „Juristen jüdischer Herkunft in Leipzig“ berichtet hat. Und: Er machte uns auf den verwahrlosten Zustand der Grabstätte des früheren Präsidenten des Deutschen Anwaltvereins Julius Haber aufmerksam und regte an, das Gebäude Nikischplatz 3, Vereinsdomizil des Deutschen Anwaltvereins unter der Präsidentschaft Martin Druckers, entsprechend kenntlich zu machen. Beides wurde den zuständigen Gremien in der Folgezeit immer wieder höflich, aber bestimmt „kommuniziert“. Ich komme darauf noch zurück.
Vier Jahre später hatte sich weder am Grab noch am Gebäude etwas geändert, aber aus dem Arbeitskreis wurde ein Verein – mit Hubert Lang als stellvertretendem Vorsitzenden. Jetzt hatten wir also, nicht zuletzt weil uns Bundesrechtsanwaltskammer und DAV dringend dazu geraten hatten, eine körperschaftliche Struktur und ein finanzielles Polster, aber war unser Ehrenpreisträger damit zufrieden?
Was er dachte – und worunter er litt und leidet – hat er treffend in einer Mail an mich vom 18. Juli 2004 so formuliert:
Nur aus Höflichkeit oder Opportunismus wird die Berechtigung unseres Anliegens allgemein nicht in Frage gestellt. Nur selten tritt die tatsächliche Einstellung zu diesem Thema zu Tage: Nutz- und sinnlose Aktivitäten von mehr oder weniger spinnerten Kollegen. Ich mache mir diesbezüglich keine Illusionen. Das Bild der Anwaltschaft in der Bevölkerung wird nach meinem ganz persönlichen Eindruck immer mieser. Was tut der DAV dagegen? Unser Selbstverständnis können wir doch nur bei Einbeziehung unserer Geschichte finden. Das setzt erst einmal deren faktische Kenntnis voraus.
Und am Ende schreibt er:
Ich hatte wieder einmal keine Zeit mich kurz zu fassen. Entschuldigung. Ich hoffe nur, Sie können mit dem Getippe irgend etwas anfangen.
Der letzte Satz ist „ein typischer Hubert Lang!“. Und gleich noch ein Zitat, weil‘s so schön war:
Der Blick zurück hat nur dann einen Sinn und Wert, wenn er uns hilft, die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft der Anwaltschaft zu gestalten. Zukunft bedeutet aber nicht nur Veränderung, sondern auch Bewahrung. Im Austarieren dieses scheinbaren Widerspruchs liegt die wahre Meisterschaft. Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und aus vergangenen Erfolgen Kraft und Zuversicht zu schöpfen, das muss der Ertrag der Rückbesinnung sein. So sind z.B. Anwaltsschwemme, lebensfremde Juristenausbildung und mangelhafte Gesetzgebung durchaus keine neuartige Erscheinung.
Meine Damen und Herren,
Sie werden es nachvollziehen können, dass ich mit der Verleihung der Goldenen Robe an Hubert Lang auch seine Verpflichtung verknüpft sehe, in Zukunft die Anwaltsgeschichte nicht ganz aus den Augen zu verlieren!
Übrigens: Im Jahre 2009 – mehr als 10 Jahre nach unserer zu Beginn erwähnten Sitzung in Leipzig – wurden der Grabstein für Julius Haber restauriert und eine Gedenktafel für Martin Drucker am Gebäude Nikischplatz 3 angebracht. Es scheint, dass man einen langen Atem braucht!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Dankesrede Hubert Lang
Lieber Tillmann, was soll ich sagen? Ich fühle mich erkannt und ich danke Dir. Du weisst, dass mir Deine Wertschätzung besonders viel bedeutet.
Mein Dank gilt natürlich auch und in ganz besonderer Weise dem hochkarätig besetzten Kuratorium, welches mir in diesem Jahr diese außergewöhnliche Ehre zuteil werden lässt.
An dieser Stelle steht hier bei mir: Keine Namen! Das würde einfach zu weit führen. Deshalb an dieser Stelle nur der pauschalisierte – aber nichtsdestotrotz von Herzen kommende – Dank an all diejenigen, die mich über nunmehr fast drei Jahrzehnte bei meiner Arbeit begleitet, unterstützt und motiviert haben. Ich freue mich sehr, dass einige von diesen wunderbaren Menschen heute unter uns sind. Ich denke aber natürlich in diesem Moment auch an all diejenigen, die aus dies- oder jenseitigen Gründen nicht unter uns sind.
Diejenigen unter Ihnen, für die die Verleihung oder Entgegennahme von Preisen zum Alltagsgeschäft gehört, haben sicher schon die Erfahrung gemacht, dass derartige Preise allzuoft von abgründiger Geschmacklosigkeit sind. Sicher werden diese deshalb so oft an Schauspieler verliehen, denn nur diese Berufsgruppe hat die einzigartige Fähigkeit z.B. ein güldenes Reh mit einem Strahlen entgegen zu nehmen, als gäbe es nichts Schöneres auf dieser Welt.
Schauspielerische Fähigkeit benötige ich heute hierfür nicht. Denn die nackte Wahrheit ist: Ich freue mich diebisch über diese grandiose Plastik. Auch ich möchte Sie wie bereits Herr Striewe ausdrücklich ermutigen, sie von allen Seiten zu ergründen. Glauben Sie mir, es gibt so manches zu entdecken. Eine solche Gelegenheit wird es erst wieder in einem Jahr geben.
Jetzt darf ich ausnahmsweise vom strikten Verbot der Namensnennung abweichen. Was sind Regeln ohne Ausnahmen? Und wer hat es erfunden? Herr Striewe hat Ihnen das ja bereits verraten: Mein Freund Hartmut Klopsch! Dort sitzt er. Mein ganz besonderer Dank gilt Dir. Ich habe Dir vorhin schon gedankt, aber es ist mir ein Bedürfnis, diesen Dank nochmal vor dem gesamten Auditorium zu wiederholen. Du weisst, dass diese Plastik in meinem Heim in guter Gesellschaft sein wird, mit zahlreichen anderen zauberhaften Figuren, die Du ebenfalls erfunden hast.
Obwohl – nein, gerade weil wir in diesen Tagen so wenig Veranlassung haben optimistisch in die Zukunft zu schauen, möchte ich es wagen, eine Prophezeiung auszusprechen: So lange Leipzig Künstlerpersönlichkeiten wie Hartmut Klopsch eine Behausung bietet, muss uns um die Zukunft unserer Stadt nicht Bange sein.
Ich kann hier natürlich nicht abtreten, ohne Ihre Aufmerksamkeit auf die Menschen zu richten, deren Schicksal mich über so viele Jahre bewegt. Ich möchte das tun, indem ich zumindest einen der jüdischen Anwälte unmittelbar zu Wort kommen lasse: Oberjustizrat Martin Drucker sen., der Vater des Ehrenpräsidenten des Deutschen Anwaltvereins. Im Alter von gerade einmal 21 Jahren veröffentlichte er im Jahr 1855 – also vor genau 160 Jahren – anonym im Leipziger Verlag von Ambrosius Barth eine Parodiensammlung mit dem Titel „Blüthen aus dem Treibhause des Lyrik. Eine Mustersammlung“. Es erschienen später noch mehrere Auflagen, seit 1882 waren diese mit Illustrationen von Max Klinger versehen.
Juristische Ansicht
Ich lag in Weltschmerzwehen
Und wußte nicht recht warum,
Ich sprach: „Die Menschen sind Esel,
Sind abergläubisch und dumm!“
„Gemach, Du kühner Dichter,“
Sprach ein Juriste drein:
„Es kann der Mensch nicht Richter
In eigner Sache sein!“
Vielen Dank!