Borna, 28.8.46

Lieber Onkel Martin !

Über Deinen dank Prehl so pünktlich wie es keine Post garantieren könnte eingetroffenen Glückwunsch zu meinem Geburtstag habe ich mich sehr gefreut, und ich danke Dir herzlichst dafür. Wir haben den Tag, nachdem wir seit kurzem wieder alle vereint sind zeitgemäß beschaulich gefeiert, für den Nachmittag war Heinz (Heinrich von Bose) aus Leipzig gekommen, der auch von Deiner Zeugenvernehmung erzählte. Im Amt habe ich augenblicklich sehr viel zu tun, da ich z.Zt. allein bin – Rademacher ist auf Urlaub -; eine Hochflut von Ehrenschutzsachen, die blödsinniger Weise alle vor dem Schöffengericht angeklagt werden, droht einen schier zu ersticken, und außerdem macht mir wieder mal Geithain Arbeit, da dort Dr. Schlegel wegen eines immerhin eigenartigen Vorfalls – er bestreitet ihn u. bezeichnet ihn als Wahlmache – suspendiert worden ist. Von meinem Urlaub haben wir acht schöne Tage in Pillnitz verlebt, wenn sie auch nicht allzu erholsam waren, da es mancherlei in der Stadt zu erledigen gab; und die Entfernungen bei den schlechten Verkehrsverhältnissen viel Zeit raubten. Die Verpflegung war auch ein böses Kapitel: viel Marken – wenig Nahrung. Gucki litt viel unter Nervenschmerzen, die sich bis jetzt leider gar nicht gebessert haben. Die Bettchen hatte in Oberloschwitz schöne Wochen verlebt, ihr Bein ist freilich nicht besser geworden und jetzt ist sie froh, wieder in ihrer Häuslichkeit bei uns zu sein.
Hoffentlich können wir uns bald mal wieder sehen, schön wäre es, wenn Du mal unser Heim besichtigen könntest. Ich kenne übrigens auch noch nicht Euren 3. Stock mit dem Dachgarten, den Ihr u. wohl vor allem die Enkel recht genießen werdet.

Herzliche Grüsse Euch allen, auch von meinen Damen

Dein Teddy