Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
Ferd. Bartmann
Rechtsanwalt und Notar
Berlin-Charlottenburg 9
Hessenallee 3
5. Dezember 1945
A b s c h r i f t
An W. Moeser Buchhandlung
z. Hd. des Herrn Paul Goldstein
Leipzig C 1
Inselstraße 2
Sehr geehrter lieber Herr Goldstein!
Als ich gestern von Herrn Dr. Hensen Ihren Brief vom 23. November 1945 erhielt, war ich garnicht so sehr verwundert; denn es kommt mir durchaus noch gar nicht so lange her, daß ich den letzten Brief von Ihnen erhalten habe. Ich war aber sehr erfreut, von Ihnen zu hören. Die Freude stieg zur Begeisterung, als ich den Inhalt des Briefes über die Juristische Wochenschrift zu mir genommen hatte. Die ganze Atmosphäre hatte so etwas beglückendes an sich, daß für kurze Zeit die ganze schreckliche Periode seit 1933 in meinem Gefühl vollkommen abgesunken war.
Selbstverständlich war ich auch sofort bereit, Ihnen zu helfen. Als ich Ihre Aufforderung dazu las, war mir zu Mute wie einem alten Schwadronsgaul, der jahrelang vor dem Karren gegangen ist, und dann wieder die altvertrauten lieben Trompetensignale seiner Schwadron hört. Kurz gesagt, ich kam mir wieder vor, als wenn ich wieder die Geschäftsstelle des Deutschen Anwaltvereins leitete.
Der Zufall wollte es, daß ich trotz meiner äusserst starken sonstigen Belastung gleich heute Morgen zu dem „Ministerium“ hingehen konnte. Ihre Erwartung hat Sie nicht enttäuscht: Ich fand dort gleich eine ganze Reihe alter Bekannter vor, deren Anblick die oben geschilderten Gefühle noch einmal wieder erweckte. Nur die Umgebung hatte gänzlich gewechselt. Die Herren hausen in einem eiskalten undichten und auch sonst schrecklichen Teil des früheren Innenministeriums.
Sachbearbeiter ist Direktor Dr. Korsing, der früher im Preußischen Staatsministerium war. Wir haben uns gleich herzlich begrüsst und über eine Reihe alter Bekannter gesprochen.
Ihren Brief vom 9. Oktober 1945 an Dr. Schiffer kannte er noch nicht. Er will ihn sich besorgen und mich dann anrufen.
So viel ist jedenfalls jetzt schon sicher:
Die Justizverwaltung ist für die Genehmigung nicht zuständig. Diese muss vielmehr eingereicht werden bei der Justizabteilung der sowjetischen Militär Administration zu Händen Herrn Karasew, Chef der Justizabteilung, zur Weitergabe an Herrn Generalleutnant (Fjodor Jefimowitsch) Bokow, Chef des Stabes der sowjetischen Militär-Administration in Berlin-Karlshorst. An dieser Stelle müssen Sie die Lizenz für die JW. beantragen.
Wie mir Herr Dr. Korsing sagte, beabsichtigt die Justizverwaltung selbst eine Zeitschrift herauszugeben. Diese würde aber keine Konkurrenz zur JW. bedeuten.
Ich habe dann weiter die Frage angeschnitten, ob die Verwaltung nicht bereit sei, den Antrag auf Lizenerteilung bei den Russen zu unterstützen. Herr Dr. Korsing hoffte, daß das möglich sein würde. Er hat mir versprochen, die Sache Exellenz Schiffer mit einer Empfehlung von mir vorzutragen, und mir dann Bescheid zu geben. Es ist also das beste, wenn Sie mit Ihrem Antrag noch kurze Zeit warten, bis ich Ihnen diese Frage beantwortet habe.
Durchschläge dieses Briefes erhalten Herr Justizrat Dr. Drucker und Dr. Hensen.
Mit besten Grüssen
Ihr sehr ergebener
gez. Bartmann