L. Käthe-Kollwitzstr. 20.
a. 30.6.46

Sehr geehrter Herr Justizrat!

Darf ich Sie im Interesse meines Mannes wieder einmal um die Beantwortung einer für ihn recht wichtigen Frage bitten?
Mein Mann möchte gern wissen, ob es ratsam wäre, von seinem jetzigen Aufenthaltsort aus an die hiesige zuständige Stelle ein Bewerbungsschreiben zwecks Neuzulassung zur hiesigen Anwaltschaft zu richten, oder nicht. Er möchte nichts unversucht lassen, seine ihm so lieb gewordene Tätigkeit hier eventuell wieder ausüben zu können, und die Wege dazu baldigst ebnen. Da er bestimmt hofft, in Kürze nach hier kommen zu dürfen – am 6.6. hatte er bereits zum Start angesetzt, musste jedoch schweren Herzens von Wiesbaden/Frankfurt aus nach Augsburg zurückkehren, weil plötzlich Grenzübertritt-Schwierigkeiten eingetreten waren – denkt er, schon jetzt vorbereitende Schritte zu unternehmen.
Da mein Mann Sie, sehr geehrter Herr Justizrat, in solchen für ihn so wichtigen Angelegenheiten nicht übergehen will, lässt er um eine kurze Beantwortung bitten, gleichzeitig auch um Angabe der betreffenden zuständigen Stelle.
Falls es Ihnen angenehmer ist, mir Ihren liebenswürdigen Bescheid mündlich zu geben, stehe ich jederzeit zur Verfügung. Andererseits ist die Anschrift meines Mannes noch: bei Dr. F. Dickhäuser. (13b) Lindenau / Kissing, über Augsburg. German.
Hoffend, dass es Ihnen, sehr geehrter Herr Justizrat nach den langen Wochen des Krankseins wieder einigermassen erträglich geht, und wegen dieser Behelligung um Verzeihung bittend,

bin ich mit dankbarem Gruss

Ihre
Frau Inge Hesse

Als Zeichen meines Dankes bitte ich sehr diese bescheidene Sonntagsstärkung freundlichst annehmen zu wollen! Gutes Bekommen!