Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
16. Juni 1946.
Lieber Herr Kollege Langerhans!
Ihr Brief vom 7. Mai dieses Jahres ist hier eingegangen, nachdem ich mich wegen einer zu spät entdeckten Lungen- und Rippenfellentzündung zu Bett gelegt hatte. Ich darf erst jetzt täglich ein oder zwei Stunden aufstehen und beeile mich, Ihren Brief zu beantworten.
Was Ihre Rückkehr nach Leipzig angeht, so haben sich die Verhältnisse, die ich Ende vorigen Jahres Ihrer Frau Schwester mündlich darlegte, leider durchaus nicht zum Besseren gewendet. Ob, wie Sie erwähnen, die Zonenflüchtlinge mit einem Rückkehrzwang rechnen müssen, weiss ich nicht. Hier ist die Rechtslage die, dass diejenigen früheren Leipziger Einwohner, die nicht bis zum 1. September 1945 in ihre Wohnung zurückgekehrt waren, fast ausnahmslos keine Zuzugserlaubnis erhalten. Daran würde meines Erachtens auch die Tatsache nichts ändern, dass seiner Zeit bei der Uebernahme des (Hanno) Hagenschen Büros durch Herrn (Oskar) Kolbe Abmachungen getroffen worden sind, die Ihnen für den Fall Ihrer Rückkehr und Ihrer Wiederzulassung einen Anspruch auf Wiederübernahme der Praxis bezw. Beitritt zu derselben geben. Im übrigen befindet sich Herr Dr. Kolbe in Bürogemeinschaft mit Herrn Kollegen Dr. Erich List.
Das Wesentliche, was ich Ihnen nicht vorenthalten kann, ist aber, dass nach meinem Dafürhalten leider keine Aussicht besteht, dass Sie die Wiederzulassung als Anwalt erhalten. Nach den Richtlinien, die hierfür gelten, genügt es ja durchaus nicht, dass jemand, der in die Partei eingetreten ist, sich dort wenig und jedenfalls nicht in hervortretender Weise faschistisch betätigt hat, verlangt wird vielmehr, und zwar mit immer steigender Intensität, dass auch der nur nominelle Pg., wenn er die Anwaltschaft wieder erlangen will, den Beweis für eine ausserordentlich weitgehende antifaschistische und antimilitaristische Bestätigung erbringt. Aus diesem Erfordernis habe ich bei den Sitzungen des Kammervorstands schon zahlreiche Gesuche scheitern sehen, deren Erfolg allseitig begrüsst und erwartet wurde. Wenn Sie also eine solche positive gegen Nazismus und Militarismus gerichtete Tätigkeit nicht nachweisen können, und das wird Ihnen als Blockleiter doch kaum möglich sein, dann besteht leider keine Aussicht, die Wiederzulassung zur Anwaltschaft zu erreichen.
Zum Schlussabsatz Ihres Briefes bemerke ich, dass Ihr Onkel Georg (Langerhans) nicht mein Klassenkamerad war, denn er war ja Albertiner und ich Thomaner. Unsere Freundschaft war aber deshalb nicht weniger innig. Maria (Mi-Kathrein) ist übrigens mein Patenkind, mir aber vollständig aus den Augen gekommen, seit sie vor einer Reihe von Jahren einmal ein paar Tage bei Strümpells in Leipzig war.
Herrn Dr. Eckstein werde ich, sobald ich ihn sehe, Ihre freundlichen Empfehlungen übermitteln. Ich selbst bleibe mit dem aufrichtigen Ausdrucke des Bedauerns, Ihnen keine günstigere Auskunft geben zu können, mit besten Grüssen
Ihr ergebener (Drucker)