Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
RA. Dr. Heinrich BARBAN
Shanghai, P.O.B. 1425
China, 7.4.1946.
Justizrat Dr. Martin DRUCKER,
Ritterstr. 1, Schwägrichenstr. 5,
Leipzig C.1,
Germany (Europa)
Evtl. nachsenden !!
Sehr geehrter Herr Justizrat !
Nachricht über Fortbestand Ihres Domizils in Leipzig ermutigt mich, nach so vielen Jahren furchtbarsten Erlebens, ein sogenanntes Lebenszeichen zu geben. Vor allem darf ich Sie selbst zu Ihrer neuen Position beglückwünschen, deren Art mir zwar nicht genau erkennbar, die aber wohl Ihren Neigungen und berechtigten Ansprüchen gemäss zu sein scheint. – Von mir zu sprechen, so war und ist mir Shanghai, nach Ausbootung 1933, Konzentrationslager 1938 und allem drum u. dran, seit Juni 1940 zwar Asyl geworden, aber mehr noch Exil geblieben, erleichtert allerdings durch Zusammensein mit Frau und Sohn, der hier verheiratet. Ueber Alles was fehlt, an Natur u. Kultur, dazu Sprachfremdheit in Kulibezirk dieser ungeheuren u. unheimlichen Hafenstadt, musste geistige Arbeit mehr hinwegtäuschen als hinweghelfen: etwas Anwaltspraxis, die hier merkwürdigerweise in gewissen Grenzen möglich, Studium zur Weiterbildung in Juristerei und Englisch, gelegentlich ein Zeitungsartikel oder ein Vortrag dieser in der „Vereinigung zentral-europäischer Rechtsanwälte“, in deren Vorstand ich, als alter Vereinsmeier und Mitbegründer (1941), über die Kassenführung allmählich zum „Chairman“ avanziert bin, was alles wiederum anregenden persönlichen Verkehr mit zusagenden Kollegen zur Folge hat. Aber im übrigen ist für einen Europäer hier kein Boden. Ich möchte endlich wieder in meine Heimatstadt zurückkehren u. dort als RA. oder auch als Beamter ein neues Leben beginnen, das innerlich lebenswert ist. Besteht dazu eine Möglichkeit ? Könnte man zur Berufsausübung von irgend welcher Seite angefordert werden? Im eigenen Interesse wie in dem einiger Vereinskollegen hatte ich schon hier mit UNRRA und brieflich mit auswärtigen Stellen Fühlung genommen. Aber es geht nicht recht vorwärts. Für Leute von Uebersee soll dort keine Aufnahmebereitschaft bestehen, was eigentlich zu verwundern: laut Pressestimmen werden doch überall Beamte für vakante Posten gebraucht, dergestalt, dass schon „einige Gesetzeskenntnisse“ zu Richteramt u. STA. befähigen sollen ! Und nun sind wir hier eine Anzahl vollqualifizierte Juristen mit wirklicher Rechtskenntnis u. Erfahrung frühere Rechtsanwälte u. Notare, Richter u. Verwaltungsjuristen, die hier praktizieren u. zu angemessenen Bedingungen in die Bresche springen würden, wenn man uns nur die Gelegenheit dazu geben wollte. Ist denn dort keine Stelle, der man diese Frage unterbreiten könnte, auch wenn evtl. Anstellungsbedingungen, Wahl der Zone (Sprache !), Reise-u. Wohnmöglichkeit usw.? Dass wir zu den ersten Opfern der Hitlerverfolgung gehörig, überzeugte Gegner des Nazismus sind u. alle Träger demokrat. u. antifaschistischer Anschauungen der allgemeinen Befriedung Dienste leisten könnten, versteht sich „am Rande“. Darf ich Sie, verehrter Herr Justizrat, mit diesen Fragen behelligen; war es doch früher einmal guter alter Brauch, seine Anwaltssorgen zu Ihnen zu bringen ? – Leider soll unsere „Lindenstadt“ unter den Kriegshandlungen so schwer gelitten haben ! Um so mehr möchte man von alten Freunden u. Bekannten hören, mit „Furcht u. Hoffnung“, den ewigen Elementen des Bühnen- u. des Welten-Drama’s. Hoffentlich sind Sie selbst u. Ihre Angehörigen, so auch Ihre Söhne, durch die schlimmen Jahre wohlbehalten hindurchgekommen ? So auch Eckstein u.a. Kollegen ? Lange hörte ich nichts von (Herrmann Albert) Jacobson (1875-1941) u. Wilh. Friedmann u. LGDir. Dr. (Walther) Lange usw. ! Wie ist dort das Leben u. die Volksstimmung, auch gegenüber „displaced persons“? – Aber ich sehe, ich werde unbescheiden u.nehme Ihre Geduld über Gebühr in Anspruch. Doch wäre ich Ihnen für ein paar Zeilen aufrichtig dankbar: bei vollen Tellern, dank Joint UNRA., hungert man doch wirklich nach Berichten aus der alten Heimat. Darf ich hoffen ? Im Voraus für Alles herzlich dankbar, begrüsse ich Sie in bekannter Hochachtung und Wertschätzung Ihr aufrichtig ergebener Dr. H. Barban.
NS.: von sächs. Kollegen ist hier nur noch Dr. Kurt Hammer, übrigens nicht in der Vereinigung, aber in guter persönl. Beziehung mit mir.