Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
7. Dezember 1946
Sehr geehrter Herr Kollege!
Es ist mir erst heute möglich, auf Ihren Brief vom 17. Oktober d. Js. zu antworten, weil ich seit Anfang November einen Rückfall in die im Frühjahr überstandene Rippenfellentzündung durchzumachen hatte und heute zum ersten Male mich der Erledigung meines Privatbriefwechsels durch Diktat widmen kann.
Ich habe mir reiflich überlegt, ob ich Ihrem Wunsch entsprechen kann. Dabei ist aber zu bedenken, dass ich, seitdem Sie in die Partei eingetreten waren, doch wohl niemals Gelegenheit gehabt habe, mich mit Ihnen über diesen Schritt und seine Bedeutuung auszusprechen. Noch weniger bin ich darüber unterrichtet, in welcher Weise Sie sich in der Partei betätigt oder über deren Einrichtungen und Massnahmen ausgesprochen haben. Die Entnazifizierung könnte ich aber doch nur unterstützen, wenn ich aus eigener Kenntnis zu bescheinigen vermöchte, dass Sie trotz formeller (nomineller) Zugehörigkeit zur Partei sich gegen deren Lehren und Praktiken gewendet haben. Wie Sie wohl wissen, habe ich seit einem Jahre unendlich viel mit Wiederzulassungsgesuchen ehemaliger Rechtsanwälte zu tun und bin über die Anforderungen genauestens unterrichtet, die hierbei gestellt werden. Wenn ich Ihnen nur bestätigen würde, dass, was ja allerdings zutrifft, Ihre elterliche und grosselterliche Familie einschliesslich aller Ihrer Oheime und Tanten mit allen Anschauungen im unvereinbaren Gegensatz zum Nationalsozialismus gestanden haben, so würde ich Ihnen damit einen Bärendienst leisten, denn es würde sofort die Frage aufgeworfen werden, wie es hat geschehen können, dass Sie trotzdem in die Partei eingetreten sind. In der Richtung eines derartigen Zeugnisses bewegt sich die Bescheinigung, die Ihnen Herr Dr. Herr unter dem 11. Oktober d. Js. ausgestellt hat. Ich halte es nicht für unbedenklich, diese Bescheinigung zu verwenden, denn in ihr wird die doch sehr wichtige Tatsache unerwähnt gelassen, dass Herr Dr. Herr der Bruder Ihrer Frau Mutter ist. Wenn dieser Umstand von irgendwelcher Seite aufgegriffen werden würde, so könnte er Ihren Wünschen schaden.
Aus der Ausführlichkeit meiner Antwort bitte ich zu entnehmen, wie schwer es mir wird, Ihrem Wunsche nicht entsprechen zu können. Ich muss aber mir immer vor Augen halten, dass Erklärungen, die ich in derartigen Angelegenheiten abgebe, wegen meiner Stellung innerhalb der Anwaltschaft von ganz besonderer Bedeutuung sind und dass ich deshalb mit der Abgabe solcher Erklärungen eine erhebliche Verantwortung auf mich nehme.
Ich verbleibe mit besten Grüssen Ihr (Drucker)