Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
Frederick Grubel
141.45 UNION TURNPIKE
KEW GARDENS HILLS
FLUSHING. N.Y.
4. April 1946
Sehr verehrter, lieber Herr Justizrat,
seit einigen Tagen ist der Postverkehr mit Deutschland wieder hergestellt, u. ich beeile mich, Ihnen ein Lebenszeichen zuzusenden mit dem Wunsche, daß die entsetzliche Leidenszeit, die das Hitlerungeheuer über uns alle verhängt hat, friedlichen u. menschlicheren Zeiten Platz machen möge. Auf vielen Umwegen hörte ich, daß Sie diese Zeit gesund überstanden haben. Ich hoffe, daß die Mär von bösen Verlusten, die Sie erlitten haben, nur eine Mär ist. Wenn nicht, so wissen Sie, wie ich mit ihnen fühle. Mir haben die Nazibestien mit das Teuerste geraubt, was ein Mensch verlieren kann. Mein Vater ist – gut für ihn ! – bereits Ende 1940 für immer von uns gegangen u. meine arme Mutter haben die Mörder 1942 nach Auschwitz verschleppt.
Lieber Herr Justizrat, hoffentlich erreicht Sie dieser Brief. Bitte, lassen Sie von sich hören u. lassen Sie mich wissen, wie ich Ihnen u. den Ihren von Hilfe u. Nutzen sein kann. Ich habe mich in diesem Lande ganz gut zurechtgefunden. Von England sind wir am Tage des Beginns der mörderischen Luftangriffe weggekommen. Ich habe hier wieder studiert, meinen Mastertitel erworben u. bin Certifiec Public Accountant (Wirtschaftsprüfer). Seit 9 Monaten bin ich auch Chief Accountant des American Joint Distribution Committee, d.i. die größte jüd. Hilfsorganisation der Welt, die in diesem Jahr drauf und dran ist, 50 Millionen Dollar für Hilfs- und Wiederaufbauzwecke in allen Ländern Europas auszugeben. Vielleicht werde ich im Laufe dieses Herbstes mal geschäftlich nach Europa gondeln. Meiner Frau und meinen beiden Kindern geht’s – Gott sei Dank – gut. Wir sind bereits eingebürgert u. durchaus affidavit bereit, wenn Sie es mir sagen. Ich schaue immer weiter auf die Zeit – allzu kurze Zeit -, in der ich für Sie arbeiten durfte u. von Ihnen lernen, als die schönste u. meistversprechende meines Berufslebens zurück. Bitte. Lassen Sie mich wissen, wie die Dinge u. Menschen um Sie herum aussehen. Was machen Dr. Eckstein u. das Ehepaar Roßberg? Mit Dr. (Ralph) Busser bin ich ab und zu in Kontakt. Er spricht immer wieder mit höchster Verehrung u. Achtung von Ihnen. – Leben Sie wohl, verehrter Herr Justizrat u. seien Sie freundschaftlichst gegrüßt von Ihrem dankbar ergebenen Fritz Grübel.