Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
Dr. Erich Cerf
Kfar Ono 11, Tel Aviv
28.7.46
Lieber Dr. Drucker, lieber Dr. Eckstein!
Wir früchten Sie haben unseren langen ausführlichen Antwortbrief , den wir Fruchtmann seinerzeit mitgaben, nie bekommen. Fruchtmann erkrankte hier an der Geldsucht, als er nach Europa zurückkehrte, hatte sich die Situation dort sehr geändert.
Lassen Sie mich in kurzen Zügen wiederholen, was von uns zu berichten ist. Es war uns eine unbeschreibliche Freude von Ihnen Nachricht zu haben, trotzdem sie so viel Trauriges enthielt. Erschüttert waren wir vom Tod Ihrer Söhne zu hören, deren Kinderzeit und Heranwachsen unserem Leben parallell gingen und die wir so gut kannten. Wo gibt es Worte für so viel Schmerz. Besser zu schweigen. Hoffentlich sind Sie wieder in Verbindung mit Ina und Renate, Ulli und Hilde.
Erich hörte gestern durch einen früheren Kollegen, dass Sie lieber Herr Justizrat, Präsident des Reichsgerichts seien. Hoffentlich stimmt die Nachricht. Es wäre die einzige Gerechtigkeit u. Wiedergutmachung, die es bis jetzt gibt. Und wenn ich in all den Jahren an Sie dachte u. das ist vor allem in Träumen sehr oft geschehen, so habe ich mir genau das vorgestellt.
Nun von uns. Wir haben alle die Kriegsjahre, die bis auf einige ängstliche Wochen vor El Alamein u. dem syrischen Feldzug, Jahre des Friedens und der Prosperität hier im Lande waren, gut überstanden. Erst jetzt ist es ungemütlich durch politische Unruhen, – aber auch das haben wir hier schon erlebt und es wird auch wieder anders werden. Dass Renate sich verlobte, schrieben wir Ihnen seinerzeit, sie heiratete im Mai 1939, und sie haben ein entzückendes Töchterchen Edna von 2 1/2 Jahren. Unsere ganze Wonne. Wir bauten uns 1940 ein hübsches Häuschen, 15 km von Tel Aviv entfernt, züchten Blumen und braune Dackel und sitzen auf unserem Altenteil – viel zu früh u. viel zu jung. Ich brenne vor Aktivität und hoffe immernoch, Erich umzustimmen, dieses allzu bequeme und tatenlose Leben aufzugeben. Dies „allzu bequem“ stimmt insofern nicht ganz, als mein Leben ohne Haushaltshilfe oft sehr beschwerlich ist. Hilfe ist bei uns teuer und kaum zu haben. – Lottchen ging aufs Seminar, um Lehrerin zu werden, sattelte später um u. nahm einen Handelskurs. Sie lernte vor 2 Jahren durch eine Freundin einen kanadischen R.A.F.-Mann kennen. Sie verliebten sich glühend ineinander u. trotz aller Widerstände bestanden sie darauf, 4 Monate später zu heiraten. Sie wurde von der Regierung erst mit nach England verfrachtet u. nach einem halben Jahr nach Canada, sie leben in Toronto, u. sie erlebt und sieht so viel Interessantes u. Schönes, dass wir unsere Sehnsucht damit trösten müssen; wir drüfen nicht egoistisch sein. Sie ist ein sehr begabtes und aufnahmefähiges Menschenkind, ihre Briefe sind jedesmal ein Genuss und eine Freude.
Unsere Freundes Joskes haben viel Schweres durchgemacht, sie sind aber alle beisammen u. gesund, sie glauben nicht, dass sie ihr Leben in Frankreich beschliessen werden.
Hoffentlich hören wir bald wieder von Ihnen. Inzwischen alles Gute u. viele herzliche Grüsse Ihnen allen u. allen Familienmitgliedern
Ihre Grete Cerf
Meine lieben Beiden, ich hätte bestimmt geglaubt, dass unser großer Fruchtmannbrief Sie erreichen würde, weil ich doch die Vollmacht mitgegeben hatte. Wir warten mit Sehnsucht darauf, wieder etwas zu hören. Von uns schreibt Ihnen ja Grete. Aber das ist ja ein lächerliches Unterfangen, man kann über einen Zeitraum von zwölf Jahren, noch dazu solcher zwölf Jahre, nicht in ein paar Zeilen erschöpfend berichten. Wie gerne möchte ich mit Ihnen zusammensitzen und Ihnen alles erzählen und schildern und von Ihnen anhören. Aber bis dahin wird noch viel Zeit vergehen, wenn es überhaupt je möglich sein wird. Und wie traurig, dass wir alle nicht mehr viel Zeit zu verlieren haben!!! Ich wünsche von ganzem Herzen, dass Sie mit Ihrem Lieben, die Ihnen das traurige Schicksal gelassen hat, wieder glücklich vereint sind, und daß es Ihnen allen recht, recht gut geht. Bitte lassen Sie bald etwas hören und seien Sie mit allen Ihrigen recht herzlich gegrüßt von Ihrem Cerf.