dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

15.5.1946

Liebes Justizrätlein!

Zu meinem grössten Leidwesen muss ich seit Tagen bei meinen telephonischen Anrufen in Ihrem Büro hören, dass Sie bestimmt wieder einmal ein „leichtsinniger Bursch“ gewesen sind und die seinerzeitige Erkältung nicht ordentlich auskuriert haben! Da haben Sie nun drei Damen um sich zu Ihrer täglichen Betreuung und doch sind Sie Ihnen zu zeitig entschlüpft anstatt sich zu schonen!
Ich hoffe, Sie merken dass dies eine Strafpredigt sein soll und in meiner immer noch lebhaften Phantasie sehe ich, wie Sie beim Lesen dieser Zeilen leicht ironisch und ein klein wenig überlegen über die Schreiberin lächeln – genau so, wie ich es immer und immer an Ihnen geliebt habe. Sie sind und bleiben eben unser aller Fempe – daran ist nicht zu rütteln – und ganz im besonderen mein Justizrätlein, das sich grosse Mühe geben und sehr brav sein muss, um bald wieder frisch und gesund zu sein.
Es ist dies nur ein kurzer Gruss – um Sie nicht zu ermüden – entstanden so mitten durch im Betrieb während meiner Mittagspause, daher die Maschinenschrift und ich werde ihn nach Schluss des Dienstes heute Nachmittag dem zitronenfalter-farbigen Kasten am Hauptbahnhof anvertrauen in der Hoffnung, dass er Ihnen am Donnerstag einen „Guten Morgen“ von mir sagen soll. Darüber hinaus wünsche ich Ihnen leidlich tragbare Stunden mit möglichst wenig Schmerzen und eine täglich fortschreitende Besserung. Meine Mutter, der ich von Ihrem Kranksein erzählt habe, schliesst sich allen meinen guten Wünschen an.

Mit vielen lieben Grüßen bin ich von Herzen immer

Ihre Bachweide

PS: Darf ich auch um Grüsse an Ihre Damen bitten.-