Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
7. Dezember 1946
Liebe Hauboldine!
Ihr an meinem Geburtstag geschriebener Brief traf schon am 9. Oktober hier ein und liegt nun immer noch unbeantwortet in meiner Mappe. Ehe ich mich deshalb entschuldige, danke ich Ihnen aufrichtig für die guten Wünsche, aus denen wieder die ganze Freundschaft und Anhänglichkeit spricht, die uns nun schon jahrelang verbindet. Ihre Vermutung, dass die Familie meinen Geburtstag „entsprechend“ gefeiert habe, trifft zu. Insbesondere war ich der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeiten der beiden lieben Jungen. Aber nun zur Erklärung meines Schweigens.
Ich war im Oktober wie immer ganz stark beschäftigt und hatte auch einige Reisen im Auto zu unternehmen, deren gesundheitlicher Einfluss naturgemäss nicht sehr günstig war. Sie werden wohl die Ursache dafür gebildet haben, dass ich Anfang November einen Rückfall in die Rippenfell- und Lungenentzündung des Frühjahrs erlitt und seitdem das Bett hüten musste. Heute ist wirklich der erste Tag, an dem ich mich wenigstens in Form des Diktats mit meiner liegen gebliebenen Privatkorrespondenz beschäftigen kann. Ausgehen darf ich vorläufig noch nicht wieder.
Sie sehen, liebe Hauboldine, dass Ihre Erwartung, ich würde noch recht lange in der deutschen Anwaltschaft wirken können, auf ziemlich schwachen Füssen steht. Auf den sonstigen Inhalt Ihres Briefes einzugehen, der ja sich mit uns allen berührenden allgemeinen Fragen beschäftigt, muss ich mir deshalb versagen, weil eine kurze Antwort Missverständnisse hervorrufen und eine ausführliche vielleicht nicht zweckmässig sein würde. Aber ich denke, dass wir eine Aussprache über alle diese Dinge nicht zu weit zu verschieben brauchen, bis der Silberstreifen am Horizont, Ihre Uebersiedlung auf die afrikanische Farm, irdische Wirklichkeit wird, denn bis dahin hoffe ich, Sie noch manchmal bei uns zu sehen und mit Ihnen ernste vertrauliche Gespräche über unsere Umwelt führen zu können.
Für heute bitte ich Sie, zugleich von meiner ganzen Familie, die herzlichsten Grüsse entgegennehmen zu wollen, und bleibe
Ihr aufrichtig ergebener (Drucker)