dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Leipzig, den 7.12.1943

An den Herrn Reichsminister der Justiz
Berlin W 8
Wilhelmstraße 65

Betrifft: Versetzung in den Ruhestand

Mit Schreiben vom Dritten dieses Monats hatte ich gebeten, den Beginn meines Ruhestandes um einige Monate hinauszuschieben, damit ich die ausschließlich von mir bearbeiteten laufenden Sachen auf meinen Sozius Dr. Eckstein ordnungsgemäß überleiten könne.
Inzwischen hat sich die Lage durchgreifend verändert.
Bei dem schweren Bombenangriff in der Nacht zum 4. Dezember ist auch unser im Stadtzentrum Ritterstr. gelegenes Büro mit allen Akten vollständig vernichtet worden. Es wird zur Zeit versucht, von meiner oben angegebenen Wohnung aus, da auch die Wohnung meines Sozius zerstört ist, die Berufstätigkeit wieder in Gang zu bringen. Das ist mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden, weil auch bei vielen Behörden und anderen Anwaltskanzleien, ebenso in weiten Kreisen der Klientel die Akten und Geschäftsunterlagen zugrunde gegangen sind. Es ist mithin ausgeschlossen, die von mir bearbeiteten Sachen durch Weitergabe von Akten in andere Hände, insbesondere die des Herrn Dr. Eckstein, überzuleiten. Die Weiterführung und Abwicklung kann nur durch mich als den bisherigen Sachbearbeiter  unter Nutzung(?) meines sehr guten Gedächtnis und in mündlichen Kontakt mit den Auftraggebern erfolgen. Diese Umstände bitte ich bei der Entschließung über meine Bitte, den Beginn des Ruhestandes hinauszuschieben, berücksichtigen zu wollen.

Die handschriftliche Anfertigung dieses Schreibens bitte ich zu entschuldigen. Im Büro sind Schreibmaschinen verbrannt und die im entlegenen Vororten wohnenden Stenotypistinnen haben beim Mangel aller Verkehrsmittel die Arbeit noch nicht wieder aufnehmen können, soweit sie nicht selbst bei den Bombenangriff obdachlos geworden sind.