Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
Upsala, 2.8.46
Lieber Martin,
Zu meiner Freude erhielten wir vor einigen Tagen Deinen Brief vom 30.6. Allerdings wohl verspätet, denn wir fanden ihn bei der Heimkehr von einer zweiwöchentlichen Reise vor. Die Post scheint den trotz erteilter Ordre nicht nachgesandt zu haben.
Ich will Dir zunächst gleich die bestellten Glückwünsche zu Deiner Erholung aussprechen. Du hast in der Tat eine gute Natur, und mit dieser hatte ich gerechnet, als s.Z. Hanna Dobriner uns mitteilte, Du seiest krank. Nun wünschen und hoffen wir, dass die Genesung inzwischen vollständig geworden ist. Vielleicht hätte unser im Mai abgeschicktes Paket dazu beitragen können, wenn es rechtzeitig angekommen wäre. Hoffentlich trifft es bald ein. Das die Sendung angehalten werden sollte, glaube ich nicht, aber wie wir erfuhren, liegen grosse Transportschwierigkeiten infolge Personalmangel vor, und dieser ist so gross, dass kürzlich von hier aus die weitere Absendung von Paketen für einige Zeit verboten worden ist, bis die bereits abgesandten zugestellt worden sind. Es bleibt uns deshalb nichts übrig als mit dem nächsten Pakete bis dahin zu warten. Jedenfalls bitte ich Dich um Anzeige des Eintreffens der jetzigen Sendung.
Betty (Mannsfeld) scheint sich nun wohl auch erholt zu haben, da sie wieder reisen kann. Bitte sag ihr, dass wir uns sehr darüber freuen. Deine Kinder und Enkel sind offenbar auch wohl und gesund.
Wir waren zwei Wochen weg in Borgholm auf Öland, wo Gertrud sich ein wenig ausgeruht hat, was sie dringend brauchte. Länger haben wir es nicht ausgehalten, obwohl es im Ganzen, von dem teuren und schlechten Frass abgesehen, nicht übel war. Das Städtchen liegt direct am Wasser des Kolmarsundes, hat viel schönen Laubwald und gutes weiches Klima. Wir haben auch Kolmar besucht, was bequem in einem Tage per Schiff zu machen ist. Es sind dort einige schöne Baumerole(?); die Stadt hat ja in alten Zeiten eine große Bedeutung gehabt. Aber die Reise mit dem Schiff von Stockholm nach Borgholm dauert 20 Stunden, was am Tage freilich nichts ausmacht, während die engen Cabinen in der Nacht mehr für Wachen als für Schlafen geeignet sind.
An Dr. (Friedrich) Leskien, dessen Diagnose ja günstig ist, erinnere ich mich recht wohl. Weisst Du übrigens noch, dass unser Vater mit etwa 70 Jahren zuerst durch den Arzt erfuhr, dass er auf dem einen Auge so gut wie nichts sah und wahrscheinlich seit seiner Jugend nicht gesehen hatte?
Prof. (Alexander) Bittorf, von dem ich seit Jahrzehnten nichts gehört habe, war in der Tat ein Jahr jüngerer Schulkamerad von mir und Mitglied in unserem Naturwissenschaftlichen Verein, dem auch (Anton?) Finkelstein, Hugo Jolles und Ernst Fränkel angehörten. (A propos: weist Du etwas von Jolles?) Es freut mich zu hören, dass er sich wie aus seiner Berufung an die Medicin. Klinik hervorgeht, während der Hitlerzeit anständig genommen hat, also eine der seltenen Ausnahmen unter den deutschen Gelehrten ist. Bitte grüsse ihn bei Gelegenheit von mir.
Hannchen (Johanna Drucker, verh. Dickinson), die ja seit 12 Jahren Joan heisst, ist nicht hierher gekommen. Ich hatte Conrad geschrieben, wir würden sie in Stockholm besuchen und auch auf ein oder zwei Tage bei uns haben können. Conrad hat inzwischen nicht wieder geantwortet, so schickten wir ihm eine Karte von Borgholm. Hannchen hat auch uns, seit sie in England ist, nur dreimal geschrieben – während des Krieges gar nicht – und nur, wenn sie etwas wollte.
Von Isa (Maria Luise Burian verh. Huntington) habe ich auch lange nichts gehört. Ihr jüngstes Söhnchen Charlie hatte sich allein verlaufen und war in einem Graben ertrunken. Sie schrieb mir damals ganz verzweifelt; hoffentlich hat sie sich etwas von dem Schlag erholt. – Ich muss nur einmal wieder an Richard (Burian) schreiben, der seit April bei Hermann (Burian) sein dürfte. Die Adresse hatte ich Dir mitgeteilt.
Wie wir heute von Hanna Dobriner hörten, ist Eure neue Wohnung schön. Von dem Dachgarten musst Du doch ganz Connewitz und Umgebung sehen können, denn das Haus liegt der Nummer nach, wohl erheblich jenseits der alten Kronprinzstraße.
Bitte schreib bald wieder, wenn es auch nur eine Karte ist. Herzliche Grüsse von Gertrud und mir an Alle
Dein Bruder Carl.