dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Dr. Eberhard Forche
(13a) Nabburg/Opf
Nikolaistr. 302
Nabburg, den 27.IX.1946

Lieber Fempe!

Noch muss ich mich für Ihren liebenswürdigen Brief vom Juni sehr herzlich bedanken. Zugleich möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit zu Ihrem baldigen Geburtstage meine besten Wünsche aussprechen und Ihnen für Ihr kommendes Lebensjahr alles Gute, vor allem Gesundheit, Frische und weitere unermüdliche Schaffenskraft wünschen. Ich hoffe, dass Sie von der Lungen- und Rippenfellentzündung, über die ich in Ihrem Brief mit Schrecken las, inzwischen völlig genesen sind und sich auch wieder ganz Ihrer beruflichen Tätigkeit, die wohl unter den neuen Rechtsverhältnissen eine erfreulichere Richtung genommen hat als unter den Nazis, und ihren verantwortungsvollen Posten als Vizepräsident der Anwaltskammer, zu dem ich Ihnen aufs herzlichste gratulieren möchte, widmen können. Auch zu dem Aufbau eines neuen Heims wünsche ich Ihnen volles Gelingen. Mit Wehmut gedenke ich der schönen Einrichtung in der Schwägrichenstraße und besonders Ihrer kostbaren Bibliothek, die wohl auch vernichtet ist. Die Hauptsache aber ist, dass Sie unversehrt den grauenvollen Krieg überstanden haben und dass Renate, Ina und Ursel mit den beiden Jungen wohlbehalten bei Ihnen sind und sich zu einer Geburtstagsfeier um Sie scharen werden, wenn auch dieser entsetzliche Krieg zwei schmerzliche und unausfüllbare Lücken hinterlasssen hat.
Was mich anbetrifft, so kann ich sagen, dass es mir gesundheitlich verhältnismässig gut geht. Was uns düster in die Zukunft schauen lässt, ist die Trägheit im Wiederanlaufen der Industrie in unserer Zone. Auch unser Werk arbeitet nur auf ganz minimalen Touren. Das einzige was in den grösseren Städten bleibt, ist Kunst und Pseudokunst, die letztere überwiegt. Aber mit hungrigen Magen kann einen die beste Opernaufführung nicht recht begeistern!
Von meinen Eltern, die immer noch in Stadt Wehlen in der Sächsischen Schweiz hausen und sich erfolglos um die Rückkehrmöglichkeit nach Leipzig bemühen, höre ich nichts erfreuliches. Haben Sie eigentlich mit Hilde Gerlach und mit Fritz (Nachod) eine Verbindung?  Fritz’s Adresse ist mir in Hannover verbrannt, so dass ich nichts unternehmen kann. Auf Anraten eines amerikanischen Offiziers an die Congressional Library in Washington geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten.
Ich habe es bedauert, dass die Leipziger Herbstmesse ausfiel; sonst hätte ich bei dieser Gelegenheit einen Durchbruch nach Leipzig versucht, um auch wieder bei der Akademischen Verlagsanstalt vorzusprechen. Sie machen in Ihrem Brief eine Andeutung von Veränderungen der dortigen Verhältnisse, die mir leider völlig unbekannt sind. Mit Herrn Dr. Erler habe ich in diesem Jahr zweimal korrespondiert, wobei mir Herr Dr. Erler schrieb, dass der Verlag noch auf die Lizenz warte, ohne jedoch über die Verhältnisse bei dem Verlag zu sprechen. Wenn ich Ihnen mit der Bitte keine zu grosse Mühe bereite, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich über die Lage informieren würden.
Lieber Fempe, ich bin glücklich, Sie wohlbehalten zu wissen und wieder in berufliche Verbindung mit Ihnen gekommen zu sein. Ich hoffe, dass Sie mein Schreiben bei bestern Gesundheit antrifft mit den herzlichsten Grüssen an Sie, Renate, Ursel und Ina,
Ihr getreuer Eberhard