Grossdeuben, 5.10.44

Mein lieber Martin!

Da Du in üblicher Weise deinen Geburtstag nicht daheim, diesmal aber wenigstens in der Filiale Drucker verlebst Komma ich aber leider die Auesche Anschrift vergessen habe, sende ich meine Zeilen nach der Leipziger Wohnung mit meinen innigsten Wünschen für Dein & Deiner Lieben Wohlergehen weiterhin und für Erhaltung Deiner geistigen Spannkraft. Das ist doch ein reiches Geschenk, immer noch im geliebten Berufe tätig sein zu dürfen und vielen Ratsuchenden mit Deinen grossen Erfahrungen zur Seite zu stehen. In dem Alter war dein guter (Vater?) schon sehr verbraucht und abgearbeitet und auf Dir lag, was ich damals gar nicht so gewusst habe, die ganze Verantwortung für Eure große Kanzlei und auch die nicht kleine wirtschaftliche Sorge für zwei Familien, wobei Du doch für die eigne zahlreiche Familie reichlich zu schaffen hattest. Und vor allem warst Du persönlich so überaus genügsam, fast asketisch. Dazu die umfangreiche weitausgedehnte Tätigkeit für die deutschen Anwälte, den(en) Du als Präsident neben der geistigen Anforderung doch viel Zeit & Geld geopfert hast. Mit viel Befriedigung kannst Du auf Dein zurückgelegtes Leben schauen und solltest Dir aber nun etwas mehr Musse & Ruhe gönnen. Eine besondere Freude für Dich ist es ja, dass Du nun das Heranwachsen des Enkelchens & Stammhalters beobachten kannst und das Dir in der Schwiegertochter das Heim, jetzt wenigstens Heimatgefühl, neu belebt ist. Mit Deinen Lieben in Aue wünsche ich Dir und all den Deinen einen recht schönen sonnigen Geburtstag und bin mit treuen Grüßen an Alle

Dein alter einsamer Schwager Hans