dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Bericht*)

des sustituirten Herrn Sachwalters Martinus
an den substituirenden Herrn Kollege Bulgarus
beiderseits Mitglieder
des auch in weiteren Kreisen beliebten juristischen Männerquartetts der Quatuor Doctores juris uterique, über Abwartung des Verhandlungstermins in re Auli Agerii, qua Klägers, wider Numerium Negidium, qua Beklagten, puncto hartnäckig verweigerter Solution von 22 1/2 Ngr. für gelieferten Zwirn cum annex.

*)  Dieser wahrheitsgetreue Bericht ist gegenüber den geehrten Verfassern lyrischer Sammelwerke als „Perlzwiebeln“, „Aehrenlese vor der Ernte“, „Was ich den Verlegern abgejagt“, „Aus aller Dichter Taschen“, „Des Mägdleins Herz mit gepressten Deckel“, „Des Mägleins Lust, in Tagen und in Wochen“, u. s. w. als Manuscript gedruckt.

Grollend sass ich über den Pandecten;
dass die Glossen mich – – – *) ,
Wünscht‘ ich, Freund, im zorn’gen Unverstand.
Mühlenbruch und Sintenis Gemeines,
Lauterbach im Lederband des Schweines,
Flogen ohne Gnade an die Wand.

Gregorianus, Hermogenianus
und was sonst noch hinten hat ein anus
Schienen mir geeignet nur ad hoc
Und so mancher bürgerlicher Codex
Däuchte mich gemacht nur für den –,
Wo den Knaben trifft des Meisters Stock.

Was in Dresden fein man ausstudiret.
Und avant la lettre commentiret,
Reizte, Theurer, meine Lüste nicht.
Osterloh1, Civilprozess von Sachsen,
War mir armslang aus dem Hals gewachsen
und zum Ekel jeglichen Gerichts.

Wäre Themis mit den ernsten Mienen,
Wäre dieses Weib bei mir erschienen,
Glaube mir, sie hätte sich entsetzt.
Doch zum Glück weilt sie in weiter Ferne
Und zu mir kommt sie schon gar nicht gerne;
Habe sie wohl irgendwo verletzt.

Da zu mir, dem zorn’gen Dikophoben
Kam – die güt’gen Götter will ich loben –
Kam Dein Brieflein, Bruder im Apoll:
„Hau‘ zur Bank mir den verklagten Schneider,
Der den Zwirn nicht zahlet für die Kleider“.
– Und im Auge mir die Thräne quoll.

Sieh! Die blinde Göttin mit der Waage,
Die da schirmt die Alimentenklage,
Himmlisch schön sie jetzt mein Auge sah.
Erbrecht wurde zum Sirenensange
Bagatellprocess zum Spärenklange,
Poesie mir die Justitita,
——————-
*) Soll heissen: „nicht fürder neckten“. —-, die Zunge.

Werth, zu preisen ihn im schönsten Liede,
Schien mir der Besitzer mala fide,
Herrlich mir der Usufructuar;
In ihr gold’nes Zaubernetz verstrickten
Mich Verbindlichkeiten und Delicten
Und die Wittwe, so verletzt das Jahr.

Und den Richter, den ich stets verfluche,
Wenn zum Bagatellterminbesuche
Er um zehn des Morgens ladet ein,
Segnet‘ ich mit dankerfülltem Munde:
„Mögest, Iudex, du von dieser Stunde
Hundert Jahre noch Assessor sein.“

Als der Glocke erster Ton verhallte,
Zu dem Praetor feierlich ich wallte,
Der in factum actio verleiht,
Der dem andern Theil Gehör gewähret
Und um Lumpereien sich nicht scheeret,
Namentlich nicht um die Frühstückszeit.

(Fehlstelle)

„Jene Waren hab‘ ich zwar empfangen,
Doch ob sie ich jemals thät verlangen,
Ist aus dem Gedächtnis mir verwischt.
Und die Preise thät ich zwar versprechen,
Doch darum brauch ich noch nicht zu blechen,
Denn, Herr Actuar, ich habe nischt.

Meine Hosen sind längst reclamiret,
Meine Unterkleider vindiciret,
Das Gerichtsamt weiss es ganz genau;
Mein Geschäft gehöret meinem Weibe,
Was ich habe auf dem nackten Leibe,
Es gehöret alles meiner Frau.

Also sprach er – und er sprach noch lange.
Doch aus Richters Mund mit Donnerklange
Tönte durch die Räume die Sentenz:
„Der Beklagte zahlt den Stamm nebst Kosten
Und des Mahnverfahrens wen’ge Posten;
Es bedarf nicht erst des Juraments.“

Der Beklagte zog dahin in Frieden;
Aber mir, dem solcher Sieg beschieden,

(Fehlstelle)

1 Robert Osterloh (1813-1884)