dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Borna, 23.4.46

Mein lieber, guter Martin, liebe Nichten!

Nachdem die ersten Tage in meiner neuen Heimat mit allerhand Räumerei vorüber und die Feiertage zur Erholung benutzt worden sind, soll es mein Erstes sein, Dir u. Euch Lieben Allen von Herzen zu danken für die schöne Zeit, die ich bei u. mit Euch verleben durfte. Es was so wunderschön, endlich einmal in Eurem Familienkreise mit Euch leben zu können und so rührend verpflegt u. mit Liebe umgeben zu werden. Zwar hatte ich mich ohne meine Absicht zum Dauergast ausgewachsen, aber die Verhältnisse waren stärker als ich, u. ich will nur hoffen, dass Ihr nicht allzusehr unter mir gelitten habt. Es ist mein aufrichtiger Wunsch, einmal im Leben noch Euch alle Güte u. alle Wohltaten vergelten zu können und es wäre meine u. Boses grösste Freude, Euch hier zu begrüssen. Wir sind von Borna  auf das Angenehmste enttäuscht u. fühlen uns schon sehr wohl u. heimisch. Dazu trägt vor allem unsre sehr hübsche Wohnung bei, deren Lage, mitten in grünen, zum Teil schon blühenden Bäumen gelegen sehr anheimelnd ist. Der Umstand, dass wir darin Alleinherrscher sind, ist natürlich für uns nach dem unerträglichen Zustand in Dresden, ein grosses Glück u. mit Wonne schliessen wir allabendlich die Flurtür hinter uns zu u. rufen: Enfin seul. Die gute Gucki und unsre liebe Erika haben das ganz besonders verdient, denn zu allem an u. für sich schon schrecklichen ist noch die furchtbare Kälte in dem eisigen Zimmer gekommen, davor Ihr mich bewahrt habt. Unsre Fahrt hierher verlief sehr angenehm u. ein freudestrahlender A-G- direktor nahm uns in Empfang. Ein netter Wachtmeister belud einen Wagen mit dem zahllosen Handgepäck u. so wandelten wir unter grünen Bäumen nach der Rosa Luxemburgstrasse. Nach Besichtigung der Wohnung, in der unsre Habe verstaut war, konnten wir uns am festlich gedeckten Kaffeetisch niederlassen u. stärkten uns sehr froh u. zufrieden. Ein Strauss von Frl. Paetz schmückte das Zimmer, das, wenn auch gardinenlos urgemütlich, gross, mit 3 Fenstern u. einem mächtigen dunkelgrünen Kachelofen versehen ist, der behagliche Wärme verheisst für den kommenden Winter.

Am Donnerstag trafen auch noch die Leipziger Möbel ein, sodass vor den Feiertagen die Haupträumerei erledigt war. Leider stellten sich bei dem armen Teddy die heftigsten Schmerzen am Magen ein, er hat eben während der letzten Monate sehr schlecht gelebt u. zuviel äussere u. innere Unruhe durchmachen müssen. Gucki hat alles getan, was ihm Erleichterung bringen konnte u. so hoffen wir, dass der Anfall bald vorüber geht; er soll nächstens geröntgent werden. – Nun habe ich viel von uns erzählt u. wüsste so gern von Eurem Ergehen, meine Gedanken sind viel bei Euch Allen u. mit Sehnsucht denke ich an die lieben Bübchen, die ich fest ins Herz geschlossen habe. Seid nur nicht zu sehr entsetzt über meine Schreiberei, ich kann sie selbst kaum lesen, aber lateinische Buchstaben u. ohne Klemmer, das ist zu viel für eine alte Bettchentante. So will ich mich in Eurem Interesse jetzt beschränken u. nur noch einmal Jedem Einzelnen danken für alles Gute, das Ihr mir erwiesen habt. Dir, mein lieber Martin für die schönen Stunden, die uns in die schöne Vergangenheit zurückführten, wie glücklich war ich beim Vorlesen der Memoiren; Dir, liebe Ursel für alle Opfer, die Du für mein liebliches Wohl so liebevoll gebracht hast; Dir meine gute, gestrenge Ine für die Du medizinische Aufbauarbeit an meinem alten Korpus aufopfernd geleistet hast, und last not least, Dir, liebe Renate, für Deine Bemühungen mit Guckis Geburtstagsbuch u. mit der Mehlbeschaffung für Boses, sowie für die diversen Gänge zum Optiker. Seid versichert, dass ich Euch dies Alles nie vergessen u. der schönen Zeit bei Euch stets in herzlicher Dankbarkeit mich erinnern werde. Vielen Dank übrigens noch, liebe Ursel, für Deinen lieben Glückwunschbrief zum Einzuge, Gucki wird noch selbst schreiben, sobald sie einmal Zeit findet, sich auf einen Stuhl zu setzen. Lebt Alle wohl u. seid herzlichst gegrüsst von allen Boses und

Eurer alten getreuen Bettchentante.

In dem grossen schweren Paket, das Dich, liebe Ine, doch sicher interessiert, war ein schönes Waschbecken u. ein Krug von den guten Bitters. Teddy hatte dazu einen Waschtisch von der Paetzin erstanden, der nun im Bad sehr angenehm zu verwenden ist.