Anlagen
- 1. Briefwechsel mit der Familie
- 2. Briefwechsel mit Verwandten
- 3. Briefwechsel mit Juristen
- 4. Briefwechsel mit Freunden und Mandanten
- 5. Ehrengerichtliches Verfahren/Versetzung in den Ruhestand
- 6. Gertrud Landsberg, Briefwechsel
- 7. Gertrud Landsberg, Fotos
- 8. Nachlass Martin Drucker, Manuskripte
- 9. Sonstiges
- Personenregister - Nachlass Martin Drucker
Garmisch, den 28.XII.45
Sehr geehrter Herr Justizrat!
Nach längerer Unterbrechung, ist es mir wieder möglich, an Sie einige Zeilen zu schreiben.
Vor Allem möchte ich Ihnen Herr Justizrat, sowie auch meine Frau, zum Neuen Jahre die herzlichsten Glückwünsche senden. Möge das kommende Jahr ein besseres segenreicheres Jahr werden, nachdem all die vergangenen Jahre so schweres unsagbares Leid für Sie und Ihre Familie gebracht haben.
Meine Frau hat durch Zufall vor einigen Monaten eine Zeitung aus Leipzig in die Hände bekommen, darin stand unter anderem, daß Sie Herr Justizrat Ihre Praxis & Notariat wieder eröffnet haben, und wieder in Leipzig Schwägrichenstr. 5 wohnen. Deshalb adressiere ich diesen Brief auch dorthin. Wir gratulieren Ihnen Herr Justizrat herzlich dazu. Wie es jetzt Ihnen sonst weiter geht wissen wir nicht, hoffen aber das Beste. Wir hätten zu gerne einige Nachricht von Ihnen, so bitten wir Sie, wenn es Ihnen möglich ist, uns gelegentlich einige Zeilen zu schreiben.
Herr Justizrat ich bin seit 25. Okt. wieder zu Hause. Das „siegreiche Ende“ habe ich gut überstanden. Bei unseren Bewegungen kam ich zuletzt noch nach Mitteldeutschland und zwar in den Harz. Am 19. April 45 wurden wir bei Ballenstädt in der Nähe von Quedlinburg „kassiert“. Kam dann in verschiedene Lager in Westdeutschland so auch nach Remagen a/Rhn. Koblenz und Andernach. Von dort aus wurden wir Ende Juni verfrachtet & nach Südfrankreich zum Arbeitseinsatz geschickt. Unser Lager war in Grenoble. Habe dieses vergangene Jahr große Strapazen, Entbehrungen & Hunger erlitten. Aber zum Glück Alles soweit gut überstanden. Daß ich so schnell wieder aus Frankreich zurückkam, und entlassen wurde ist der Umstand, daß ich Herzkrank bin. Deshalb als Arbeitseinsatz unfähig geschrieben und somit zu den Rückführern kam. Sie können sich denken wie froh ich war und bin, nun endlich diesen grauen Rock ausziehen zu können, der mir immer eine Qual war, ihn zu tragen. Froh war auch meine lb. Frau, als ich auf einmal unverhofft auftauchte, nachdem sie seit Anfangs März keinerlei Nachricht mehr von mir hatte. Nun machen wir Beide diesen Dienst bei Herrn Geheimrat weiter, ich gehe zusätzlich noch in eine hiesige Blumengärtnerei in Arbeit. Herr Geheimrat K. wurde auch vor 7 Wochen nach Frankfurt beordert, zur Klärung verschiedener Sachen. Ist jetzt wieder zuhause, und eine große Arbeit schreiben über das ganze Versicherungswesen wie es bei uns in Deutschland bestanden hat. Weihnachten haben wir zwar einfach aber gemütlich im warmen Stübchen verbracht. Wenigstens waren wir Beide glücklich es mitsammen feiern zu können, nachdem diese unselige Zeit des Mordens und Zerstörens aufgehört hatte.
Herr Justizrat wie geht es Ihren beiden Töchtern Frl. Ina & Frl. Renate? und Ihrer Schwiegertochter Frau Drucker & den beiden Enkelkindern. Oft denken wir auch an Ihre Verwandten in Dresden, ob Sie wohl alles gut überstanden haben. So wünschen wir Ihnen allen auch alles Gute zum Neuen Jahr und grüßen Sie Herr Justizrat
Ihre Hedwig & Alois Mayrhans