dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

Weilburg a. d. Lahn
31.X.1946

Sehr geehrter Herr Justizrat!

In der amerikanischen Zone findet z. Z. des gesetzliche Denazifizierungsverfahren statt, dem ich mich unterwerfen muss. Zur Beurteilung meines Falles vor der zuständigen Spruchkammer soll ich (wie alle evakuierten Leipziger) auf Anraten der am. Militärregierung ein „Entlastungszeugnis“ vorlegen. Da dieses für mich von großer Wichtigkeit und die Grundlage meiner Anstellung ist, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir ein solches in zwei Stücken bald zusenden könnten.
Zu Ihrer Orientierung teile ich Ihnen einige Angaben mit:
Meine Grossmutter mütterlicherseits war eine geborene Nordamerikanerin namens Wilde und Jüdin. Im Jahre 1933, als die Fragebogen begannen, setzten für mich aus diesem Umstand unangehme Behelligungen ein, da ich als 1/4 Jude galt. Um jenen zu entgehen, habe ich mich auf Anraten zur Partei gemeldet, bin aber 1934 zurückgewiesen worden. 1938, als die Stimmung an der Universität wieder schwierig wurde, bin ich auf besondere Verwendung eines alten Pg in die Partei aufgenommen worden.
Ich bin, was mir gleichfalls verdacht wurde, für meine jüdischen Kollegen in Leipzig eingetreten, so für Geheimrat (Georg) Steindorff u. Frau (Elise) geb. Oppenheimer, (Friedrich) Levi, (Leon) Lichtenstein, Zadde, (Hans) Holldack.
Ämter in der Partei habe ich nicht bekleidet. Die Lebensmittelkarten habe ich eine Zeit lang wegen Menschenmangels und zum allgemeinen Besten verteilt.
Aktivistisch im Partei-Interesse bin ich niemals tätig gewesen, im Gegenteil habe ich mich meiner gesamten Umgebung, mochte sie eingestellt sein, wie sie wollte, friedfertig verkehrt und die nat.-soz. Überspannungen verurteilt.
Dies Entlastungszeugnis muss die Bemerkung tragen: „Eidesstattliche Versicherung. Zum Zwecke der Vorlage bei der Spruchkammer gebe ich folgende eidesstattliche Versicherung ab, über deren Bedeutung ich unterrichtet bin“ usw., folgt Text.
Ich wäre Ihnen, wie schon bemerkt, sehr verpflichtet, wenn Sie meinen Wunsch erfüllen würden. –
Im übrigen sitze ich noch immer in Weilburg, ohne regelmäßige Beschäftigung, ein sehr unangehmer und langweiliger Zustand, der leider noch keine … Aussicht auf Änderung hat. Immerhin gibt man die Erwartung auf Besserung nicht gern auf.
In der Hoffnung, dass es Ihnen gesundheitlich gut geht, verbleibe ich mit den besten Empfehlungen
Ihr ergebener E. Krenkel