dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

29. Juli 1946.

Lieber Herr Kollege Köst!

In Ihrem Brief vom 19. ds. Ms. stellten Sie in Aussicht, am darauffolgenden Dienstag mit Ihrer Gattin mich aufzusuchen. Daraus ist leider nichts geworden. Ich hoffe, dass der Besuch nur verschoben ist und noch nachgeholt wird.
Bezüglich der Universitätsangelegenheit sprach ich kürzlich in vorsichtiger Weise mit Prof. (Erwin) Jacobi. Dabei stellte sich heraus, dass er schwere Bedenken wegen des Fortbestehens der Leipziger Fakultät hat. Der Dekan, Prof. (Hans Otto) de Boor, hat einen Ruf nach Berlin bekommen, den er aller Voraussicht nach annimmt, und deshalb ist auch (Erwin) Jacobi geneigt, einen in Aussicht gestellten Ruf nach Berlin anzunehmen. Schon  mit dem Weggang de Boors würde das Weiterbestehen der Fakultät so gut wie ausgeschlossen sein. Ausser den beiden Genannten ist ja nur noch (Arthur) Nikisch Ordinarius. (Karl) Michaelis und (Werner) Weber werden von der Landesjustizverwaltung abgelehnt, weil sie frühere Parteigenossen waren und der Shukowbefehl hinsichtlich der Universität nicht abgeschwächter angewendet werden soll als in der praktischen Justiz. Richtig ist auch Ihre Annahme, dass die Fakultät nicht geneigt ist, Lehraufträge an Praktiker zu vergeben. Es sind zwar einige Praktiker jetzt auf diese Weise beschäftigt, aber es scheint mir, als würde dieser Zustand nicht aufrecht erhalten. Der Generalstaatsanwalt Schröder, der bekanntlich zum ausserordentlichen Honorarprofessor ernannt worden war, scheint einerseits wegen seines Krankheitszustandes, andererseits weil er wohl keinen Konnex mit der Hörerschaft gefunden hat, auch nicht weiter lesen zu wollen. So wird also die Fakultät der (Bernhard) Windscheid, (Adolf) Wach und (Karl) Binding demnächst einschlafen.
Ueber die Weiterentwicklung des Planes hinsichtlich der J W kann ich Ihnen vielleicht in einiger Zeit berichten.
Es werden jetzt Verhandlungen in Berlin geführt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr (Drucker)