dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

HANS HELMUTH KRENZLIN
Wiesseerstr. 167
(13b) Gmund a.T., 14. August 1946

Lieber Onkel Martin!

Ich danke Dir recht herzlich für Deine freundlichen Zeilen, aus denen so viel warme Anteilnahme spricht.
Es freut mich aufrichtig, daß Dich mein Brief überhaupt und, was ja heute das Wichtigste ist, bei Gesundheit und erträglichen Verhältnissen erreicht hat. Durch Deinen Schriftwechsel mit Mutter durfte ich seit Jahren Anteil an Deinem Lebenswege nehmen und erfuhr mit herzlichstem Mitgefühl, daß Dir dieser wahnsinnige Krieg das schmerzlichste und schwerste Opfer für einen Vater nicht erspart hat.
Als er ausbrach, stürzte mir eine Welt ein, denn ich hatte es als Frontsoldat des ersten Weltkriegs für gänzlich unmöglich gehalten, daß eine Generation, die dieses Erleben ihr Eigen nennen mußte, noch jemals wieder in eine gleiche Katastrophe hineingeführt werden könnte und würde. Meine Arbeit lag seit einem Jahrzehnt auf der völkerverbindenden Brücke des internationalen Motorsports und hatte auf diesem Gebiet zu einer verheißungsvollen stetigen Festigung und Vertiefung bester freundnachbarlicher europäischer Beziehungen geführt. Nun ist auch ihr Erfolg durch diesen Moloch Krieg zerschlagen. Wann hätte menschlicher Aberwitz wohl jemals eine gründlichere Zerstörungsarbeit geleistet und das, was Generationen ersonnen und erarbeitet, was uns von unseren Vätern her lieb und wert war, in Schutt und Asche gelegt!
Ich freue mich, daß Du Deine reichen Erfahrungen nun wieder jenem Gebiet zuwenden kannst, dem Deine Lebensart seit jeher galt und auf dem Du schon jahrzehntelang eine so bedeutende Stellung eingenommen hast. Das mag Dir nach so mancher erlittenen Unbill mit Recht eine tiefe innere Genugtuung bereiten.
Was Du über Deine Anwesenheit in meinem großväterlichen Hause in Minden schriebst, habe ich auch aus Mutters Mund oft erzählen hören und ich weiß sehr wohl, daß dieses Band herzlicher Sympathie seit frühester Jugendzeit kein einseitiges war. Auch ich erinnere mich gern und dankbar an die Zeit, wo ich am Floßplatz 39 im Hause Deiner lieben Mutter, die ja meine Patentante war, weilen durfte und an so manchen Ausflug, den ich damals mit Deinem Bruder Carl, der noch Junggeselle war, machte. Wie mag es ihm wohl, seit er Deutschland verließ, ergangen sein?