dr. jur. Hubert Lang

Nachlass Martin Drucker, Briefe und Fotos

21. September 1946.

Lieber Helmuth!

Meine Antwort auf Deinen Brief vom 14. August ds. Js. hat sich etwas verzögert, weil ich inzwischen einen zweiwöchigen Urlaub genommen hatte. Ich bitte zu entschuldigen, dass ich erst heute auf Deine Anfragen wegen des Nachlasses Deiner Mutter zurückkomme.
Dass dieser Nachlass, soweit er noch existiert, nicht preisgegeben werden darf, ist mir selbstverständlich. Um die darauf gerichteten Rechte geltend machen zu können, muss allerdings ein Erbschein beigezogen werden. Zu diesem Zwecke müsstest Du Dich an einen Notar im Bezirke Deines jetzigen Aufenthaltsorts wenden. Ob in Gmund ein Notar vorhanden ist, weiss ich nicht, aber in Tegernsee oder Wiessee doch sicherlich. Da Deine gute Mutter wohl kein Testament hinterlassen hat, bist Du ihr einziger gesetzlicher Erbe geworden. Es hätte vielleicht in Erwägung gezogen werden können, dass Du persönlich die Erbschaft ausschlügest, in welchem Falle Dein Sohn Erbe geworden wäre. Aber die Ausschlagung ist nun verspätet, sie hätte innerhalb von sechs Wochen, nachdem Du vom Todesfall Kenntnis erhalten hast, erfolgen müssen. Ich glaube auch nicht, dass Dir bei der Inanspruchnahme des Nachlasses Hindernisse in den Weg gelegt werden.
Ich schliesse aus Deinem Brief, dass die geretteten Sachen sich in der Verwahrung der Frau Czernieff befinden. Sie müsste unter Verweisung auf den Erbschein zur Herausgabe aufgefordert werden. Dazu würdest Du am besten einen Berliner Rechtsanwalt in Anspruch nehmen. Selbstverständlich wäre auch ich bereit, von hier aus tätig zu werden. Das würde aber doch zu umständlich sein, während ein Berliner Anwalt näher zur Sache ist. Sobald Du den Erbschein bekommen hast, gib mir bitte Nachricht. Ich werde Dir dann einen oder mehrere Berliner Rechtsanwälte, auf deren Tüchtigkeit Du Dich verlassen kannst, namhaft machen.

Mit herzlichen Grüssen
Dein (Drucker)